In diesem Beitrag soll gezeigt werden, dass ausgehend vom eingebetteten Subjekt ein sozioökonomischer Zugang zur beruflichen Bildung eröffnet werden kann. Der Mensch ist gleichzeitig und untrennbar sowohl soziales als auch individuelles sowie materielles und geistiges Wesen (Klafki 1996, Nell-Breunig 1985, Tafner 2020). Er bildet die kleinste gesellschaftliche und wirtschaftliche Einheit (Thieme 2017) und als solche ist er in Gesellschaft, Kultur und Natur eingebunden. Als geistiges Wesen nimmt der Mensch sich und die Welt wahr. Jede Wahrnehmung beginnt in seinem Bewusstsein und er erkennt sich reflexiv als Subjekt und Objekt. Die Außenwelt kann das Subjekt nur vermittelt wahrnehmen und das Bewusstsein ist nur ihm zugänglich (Gabriel 2016, Nagel 2016, 2017, Pfister 2013). Empirismus, Rationalismus sowie Transzendentalphilosophie und der sich daraus entwickelte Konstruktivismus gehen trotz ihrer unterschiedlichen Zugänge gemeinsam davon aus, dass sich das Subjekt selbst erkennt. Aber nicht nur in der Rezeption und Konstruktion, sondern auch in der Begegnung mit den anderen Menschen erkennt sich der Mensch als Subjekt, das nicht alleine auf dieser Welt existiert (Levinas 2005, Biesta 2017). Seine Freiheit endet bei der Freiheit der anderen. Den Sinn seines Seins konstruiert es in der Auseinandersetzung mit den anderen Menschen und der Umwelt, in der es sich produktiv einbringt, weil es sich diese Welt aneignen möchte (Fromm 2020). Es erkennt, dass es ein soziales Wesen ist, das Verantwortung sich selbst, den anderen und der Umwelt gegenüber trägt. Verantwortung wiederum benötigt einen Grundbestand an sozialen, ethischen und politischen Haltungen (Heidbrink 2017). Die Bedeutung von Institutionen als verbindliche rechtliche und moralische Regeln, die auch zu Selbstverständlichkeiten werden können (Scott 2001), erfährt es in der Auseinandersetzung mit den Anderen (Biesta 2017). So hängt die Mikroebene des Subjekts und sein Handeln mit der Makroebene der Institutionen zusammen (Hasse & Krücken 2005). Zusammengefasst: „The I’s need a We to be.” (Etzioni 1988, S. 9) Als materielles Wesen benötigt das Subjekt zur Lebensfähigkeit, Selbsterhaltung (Subsistenz) und Selbstverwirklichung Mittel (Nell-Breunig 1985, Thieme 2017), die er zum größten Anteil von anderen besorgen muss. Die Wahlentscheidung darüber, ob und welche Mittel er benötigt, beschreibt den Kern des Wirtschaftens. Wirtschaft als Mittelsystem dient der Versorgung des Menschen (Nell-Breunig 1985, Reardon, Madi & Cato 2018, Tafner 2020). Als beruflich tätiger Mensch ist das Subjekt Versorger und Zu-Versorgender. Produktiv wird der Mensch also nicht nur in der Auseinandersetzung mit seiner Welt ganz allgemein, sondern auch im Mittelsystem. Ziel seiner Produktivität ist in beiden Fällen weniger das geschaffene Artefakt oder geistige Produkt, sondern vielmehr der Mensch selbst (Fromm 2020). Die Doppelfunktion als Versorgender und Zu-Versorgender eröffnet unterschiedliche Perspektiven und Beziehungen, aber auch Widersprüche und Spannungen, welche das Subjekt ausbalancieren sollte, um nicht in den „Sog der Fremdbestimmung“ zu geraten (Zabeck 2004, S. 9). Eine Didaktik, welche dieses Ausbalancieren ermöglichen soll, setzt bei der Doppelbedeutung von Produktivität als ökonomische Rationalität einerseits und als humanistisches Verständnis andererseits an und setzt diese in Kontext von Verantwortung und Sinnstiftung. Berufliche Bildung wird damit zu einer sozioökonomischen Bildung, welche neben den intra-ökonomischen Faktoren auch außer-ökonomische Faktoren berücksichtigt (Etzioni 1988).
Literatur:
Biesta, G. J. (2017): The rediscovery of teaching. New York: Routledge. Etzioni, A. (1988): The Moral Dimension. Toward a New Economics. New York u.a.: The Free Press. Fromm, E. (2020): Den Menschen verstehen. Psychoanalyse und Ethik München: dtv. Gabriel, M. (2016): Die Erkenntnis der Welt. Eine Einführung in die Erkenntnistheorie. 5. Auflage. Freiburg, München: Alber. Hantke, H. (2021): Resonanz und Subpolitik als subjektbezogene Zugänge zur Kritik der Nachhaltigkeit. In: Fridrich, C., Hagedorn, U., Hedtke, R., Mittnik, Ph. & Tafner, G. (Hrsg.): Wirtschaft, Gesellschaft und Politik. Sozioökonomische und politische Bildung in Schule und Hochschule, (S. 263-287). Wiesbaden: Springer VS. Hasse, R., Krücken, G. (2005): Neo-Institutionalismus. 2. Aufl., Bielefeld: Transcript. Heidbrink, L. (2017): Definitionen und Voraussetzungen der Verantwortung. Heidbrink, L., Langbehn, C. & Loh, J., Handbuch Verantwortung, (S. 3-33). Wiesbaden: Springer. Klafki, W. (1996): Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik. Zeitgemäße Allgemeinbildung und kritisch-konstruktive Didaktik. 5. Aufl., Weinheim: Beltz. Levinas, I. (2005): Humanismus des anderen Menschen. Hamburg: Meiner. Nagel, T. (2016): What is it like to be a Bat? Wie ist es, eine Fledermaus zu sein? Herausgegeben von U. Diehl. Stuttgart: Reclam. Nagel, T. (2017): Was bedeutet das alles? Eine ganz kurze Einführung in die Philosophie. Stuttgart: Reclam. Nell-Breuning, O. v. (1985): Gerechtigkeit und Freiheit. Grundzüge katholischer Soziallehre. 2. Auflage. München: Europa. Pfister, J. (2013): Philosophie. Ein Lehrbuch. Stuttgart: Reclam. Reardon, J., Madi, M. A. und Cato, M. S. (2018): Introducing a New Economics. Pluralist, Sustainable and Progressive. London: Pluto Press. Scott, W. R. (2001): Institutions and Organizations. 2. Auflage. Thousand Oaks, CA: SAGE. Tafner, G. (2020): Economic education is socio-economic education: foundations of a reflexive business and economic education. International Journal Pluralism and Economics Education, 10(4), S. 318–334. Thieme, S. (2017): Menschengerechtes Wirtschaften? Subsistenzethische Perspektiven auf die katholische Sozialethik, feministische Ökonomik und Gesellschaftspolitik. Opladen, Berlin, Toronto: Budrich. Zabeck, J. (2004): Berufserziehung im Zeichen der Globalisierung und des Shareholder Values. Detmold: EUSL.
Letzte Änderung: 7. April 2022