Wenn Kennzahlen Leben retten

HSU

27. April 2021

Mitarbeiter*innen der Professur für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Controlling der Helmut-Schmidt-Universität setzten sich in der jüngst erschienen Studie „Organizing care during the COVID-19 pandemic: The role of accounting in German hospitals“ mit der Frage auseinander, wie die kennzahlenbasierte Steuerung in deutschen Krankenhäusern seit Beginn der COVID-19-Krise dazu beiträgt, Kapazitäten zu planen und die Pflegeversorgung nachhaltig sicherzustellen. KPIs (Key Performance Indicators), die dabei zum Einsatz kommen, könnten, den Studienautoren Jacob Reilley, Nadine Gerhardt und Christian Huber folgend, durchaus auch in anderen Einrichtungen zu einer Optimierung der Gesundheitsversorgung beitragen.

Von Anfang März 2020 bis August 2020, während der ersten Welle der COVID-19-Pandemie, waren Krankenhäuser erstmals mit der Situation konfrontiert, ihre Infrastruktur anzupassen, um die bisherige Gesundheitsversorgung bei steigenden Hospitalisierungsraten aufrechtzuerhalten. Schnell setzte sich in der Ressourcenplanung ein zentraler Indikator – die Anzahl der COVID-19-Betten – durch. Das Ziel: Standardbetriebsabläufe und das physische Layout des Krankenhausbetriebs sollten unter Krisenbedingungen beherrschbar bleiben. Auf dem Höhepunkt der ersten Welle wurde dieser Indikator in mehrere „Bettenindikatoren“ ausdifferenziert, um Versorgungskapazitäten aufzubauen, die Personalplanung voranzutreiben und frühzeitig Lösungen für die Materialbeschaffung zu finden. 

Kennzahlenbasierte Kapazitätenoptimierung

„Wir fanden heraus, dass sich im Krankenhaus-Management seit Ausbruch der Pandemie ein zentrales Set von Kennzahlen, rund um die Anzahl der Betten für COVID-19-Patient*innen, durchgesetzt hat. Diese Indikatoren erlaubten es dem Krankenhausmanagement aktuelle Konfigurationen zu problematisieren, neue Prozesse zu organisieren und Unsicherheiten planbar zu machen, um die Behandlung von allen Patienten nachhaltig zu gewährleisten“, fasst Studienautor Jacob Reilley das Ergebnis seiner Beobachtungen zusammen. In den letzten Monaten der ersten Welle seien diese Bettenindikatoren dann verwendet worden, um neue Notfallkonfigurationen zu virtualisieren, die allmähliche Rückkehr zur „Normalität“ zu erleichtern und gleichzeitig Kapazitäten zu erhalten, um auf künftige COVID-19 -Wellen vorbereitet zu sein. Steuerungsrelevante Kennzahlen hätten entscheidend dazu beigetragen, aus einer völlig unklaren Situation planbare Handlungen abzuleiten und Entscheidungsgrundlagen zu liefern. 

Im Krankenhaus-Management setzte sich seit Ausbruch der Pandemie ein zentrales Set von Kennzahlen, rund um die Anzahl der Betten für COVID-19-Patienten, durch.
Im Krankenhaus-Management setzte sich seit Ausbruch der Pandemie ein zentrales Set an Kennzahlen, rund um die Anzahl der Betten für COVID-19-Patient*innen, durch.

Theorie & Methode

„In früheren Studien wurde vor allem auf die allokative Funktion des Rechnungswesens in Krisensituationen, d.h. die Verteilung von Ressourcen, fokussiert. Uns geht es in einem neuen Ansatz um die Frage, wie das Rechnungswesen konkret dazu beiträgt in der COVID-19-Krise Strukturen und Prozesse planbar zu halten“, erklärt Jacob Reilley den theoretischen Kontext seiner Untersuchung.

Dazu erforscht das Autorenteam Entscheidungsprozesse in fünf Krankenhäusern, die Teil desselben Konzerns und geografisch über fünf verschiedene Bundesländer in Deutschland verteilt sind. Im Untersuchungszeitraum März bis August 2020 führten die Autor*innen zahlreiche Interviews mit Ärzt*innen und Krankenhausmanager*innen durch. 

Fazit

Obwohl KPIs nur einen indirekten Einfluss auf die tatsächliche Versorgung haben, sind sie eine wichtige Voraussetzung für die Erleichterung der Gesundheitsarbeit während der Pandemie. KPIs erlauben es Akteuren, bisherige Bettenkonfigurationen zu hinterfragen, Prozesse zu organisieren und kritische Entwicklungen zu virtualisieren.