Die soziale Selbstverwaltung ist ein konstitutives Merkmal des demokratisch verfassten Sozialstaats der Bundesrepublik Deutschland – sie ist aber keineswegs unumstritten. Im Rhythmus der Sozialwahlen wird sowohl in der massenmedialen Öffentlichkeit als auch in wissenschaftlichen Fachkreisen Kritik an diesem Verwaltungstypus laut. Dies war auch bei der 10. Sozialwahl in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, die im Frühjahr 2005 mit einer Wahlbeteiligung auf historischem Tiefstand stattfand, zu beobachten. Der Kritik an Intransparenz und Bedeutungslosigkeit der sozialen Selbstverwaltung, an Verbandsdominanz und Ineffektivität steht in der Öffentlichkeit die allgemeine Wertschätzung des Prinzips partizipativer Verwaltung gegenüber. Die Debatte über die Zukunftsfähigkeit der sozialen Selbstverwaltung wird bei allen Beteiligten jedoch ohne einen Blick auf die Gestaltung von Selbstverwaltungseinrichtungen in anderen Ländern geführt. Weder in der Rechtswissenschaft noch in der Politikwissenschaft findet sich ein mehrere Länder umfassender Vergleich der Organisationsentwicklung und -reform sozialer Selbstverwaltung.
Im Projekt wurde erstmalig ein systematischer Vergleich der Entwicklungen der sozialen Selbstverwaltung in den Ländern der Europäischen Union in den drei Sicherungsbereichen Alter, Krankheit und Arbeitslosigkeit unternommen. Neben der Bundesrepublik Deutschland wurden sieben weitere europäische Länder mit Selbstverwaltungseinrichtungen in die Untersuchung einbezogen (Frankreich, Belgien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Tschechische Republik und Ungarn). Durch den Vergleich der Organisationsansätze, -reformen und -reformdiskussionen seit 1990 wurde der Debatte über die Zukunft ein wissenschaftliches Fundament geliefert.
Das Projekt wurde von der Fritz-Thyssen-Stiftung gefördert und gemeinsam Prof. Dr. Frank Nullmeier, Universität Bremen durchgeführt. Im Projektteam haben Dr. Philine Weyrauch, Dr. Alexander Haarmann) mitgearbeitet.
Projektpublikation: http://www.campus.de/buecher-campus-verlag/wissenschaft/politikwissenschaft/abkehr_vom_korporatismus-3720.html
Letzte Änderung: 31. Juli 2024