Weitgehend unbemerkt von der öffentlichen Wahrnehmung findet in Teilbereichen der öffentlichen Verwaltung eine grundlegende Reform der Leitungsstrukturen statt. In so unterschiedlichen Einrichtungen wie der Bundsanstalt für Arbeit, in Universitäten, Universitätskliniken, Studentenwerken und bei den Trägern der Sozialversicherung wurden bzw. werden die tradierten Leitungsmodelle auf den Prüfstand gestellt und mitunter recht einschneidend reformiert.
Was diese verschiedenartigen Organisationen miteinander verbindet, ist, dass sie in der verwaltungswissenschaftlichen Dogmatik dem Bereich der so genannten funktionalen Selbstverwaltung zugeordnet werden. Die genannten Organisationen haben einerseits eine öffentliche Rechtsform und sind Teil der öffentlichen Verwaltung. Sie sind andererseits aber aus der unmittelbaren staatlichen Hierarchie ausgegliedert. Die Träger der funktionalen Selbstverwaltung verfügen über eigenverantwortliche Handlungsspielräume, sie können (in Grenzen) weisungsfrei handeln und unterstehen nur der staatlichen Rechtsaufsicht. Die obersten Leitungsgremien dieser parastaatlichen Einrichtungen sind zudem nicht mit staatlichen, sondern mit privaten Akteuren – Repräsentanten von Interessenverbänden oder »einfachen« Bürgern – besetzt.
Dezentrale und autonome Steuerung, Eigenverantwortung und Bürgerbeteiligung sind zentrale Strukturmerkmale der Träger der funktionalen Selbstverwaltung. Auf den ersten Blick scheinen ihre Charakteristika im Einklang mit dem aktuellen verwaltungspolitischen Leitbild zu stehen, das auf Selbststeuerung, Aktivierung und Aufgabenteilung zwischen öffentlichen und privaten Akteuren setzt (Jann 2002). Dennoch stehen die Träger der funktionalen Selbstverwaltung in der Kritik und es werden Funktions- und Legitimationsdefizite konstatiert. Sowohl die Effizienz und Effektivität als auch das partizipatorische Potential dieses spezifischen Verwaltungstypus erscheinen als defizitär. Die Diskussion über mögliche Reformoptionen hat begonnen und ein Umbau der Trägerorganisationen zeichnet sich ab. Bei der Suche nach Rationalisierungs- und Demokratisierungspotenzialen werden auch die Leitungsstrukturen auf den Prüfstand gestellt.
In dem Projekt wurden Leitungsreformen aus fünf verschiedenen Bereichen der funktionalen Selbstverwaltung entlang der folgenden Fragestellungen empirisch untersucht
In welcher Weise werden Leitungsstrukturen in öffentlichen Organisationen verändert und auf welche Bereiche der Leitungsorganisation beziehen sich die Reformmaßnahmen? Werden die Mechanismen der Willensbildung und Entscheidungsfindung, und/oder der Kontrolle, der Repräsentation und Beteiligung oder das Verhältnis des Verwaltungsträgers zum Staat im engeren Sinne reorganisiert?
Lassen sich diese Veränderungen typologisieren und werden dominante Reformtrends erkennbar?
Gibt es bei der Reorganisation der Leitungsstrukturen in der funktionalen Selbstverwaltung typische Schwierigkeiten, wiederkehrende Probleme und ungelöste Fragen?
Wie kann die Reorganisation der Leitungsstrukturen bewertet werden?
Das Projekt wurde von der Hans Böckler Stiftung finanziert und gemeinsam mit Prof. Dr. Frank Nullmeier, Universität Bremen) durchgeführt.
Projektpublikation: http://www.campus.de/buecher-campus-verlag/wissenschaft/politikwissenschaft/modernisierung_der_funktionalen_selbstverwaltung-3195.html
Letzte Änderung: 31. Juli 2024