Von der Ukraine über die Türkei, den Nahen Osten bis nach Nordafrika und in die Sahel-Zone existiert ein Krisenbogen der Instabilität und der Konflikte um Europa. Seit dem Amtsantritt der Trump-Administration hat zudem die Berechenbarkeit und Verlässlichkeit des wichtigsten transatlantischen Partners deutlich abgenommen und durch den Brexit verliert EU-Europa eines der außenpolitisch, sicherheitspolitisch und diplomatisch ressourcenreichsten Mitgliedsländer. Die Union und ihre Mitgliedsstaaten stehen aber weiterhin in der Pflicht – notfalls auch alleine – alles für die Sicherheit ihrer eigenen Bürger und die friedliche Konfliktaustragung in Europa zu tun. Darüber hinaus wird von der EU die Fähigkeit erwartet, sich ihrer unmittelbaren Nachbarschaft, wenn notwendig, auch sicherheitspolitisch und militärisch engagieren zu können. Nur so kann die EU ihren selbstgestellten Auftrag erfüllen, einen Beitrag zu leisten und Bedingungen zu schaffen, die helfen, eine gerechte Entwicklung und Frieden für möglichst viele Menschen zu ermöglichen. Die Bereitschaft hierfür im Rahmen der EU in Stabilität, Prävention und Sicherheit zu investieren und zusammenzuarbeiten, schien durch die oben skizzierten Entwicklungen und verstärkt durch den Amtsantritt der Präsidentschaft Macron bei allen Akteuren (Mitgliedsstaaten, Kommission, Rat, Parlament) deutlich gewachsen zu sein und zeitigte ab 2017 erste Ergebnisse. Ob und inwiefern diese Entwicklung durch die Corona-Pandemie gebremst oder behindert wird und welche Auswirkungen Corona und seine Folgen auf den Zustand und den Zusammenhalt der EU insgesamt haben wird, lässt sich gegenwärtig noch nicht absehen.
Vor diesem Hintergrund beschäftigen wir uns an der Professur mit mehreren Teilprojekten im Rahmen dieses Gesamtkomplexes.
- Das Teilprojekt zum Konflikt in der Ukraine und dem Verhältnis mit Russland, welches im Jahr 2015 mit einer großen Konferenz startete, wurde jüngst durch die Publikation „Der Ukraine-Konflikt, Russland und die europäische Sicherheitsordnung“ abgeschlossen.
- Die Einbindung Russlands in eine gesamteuropäische Sicherheitsarchitektur und die Entwicklung von neuen Vertrauens- und Sicherheitsbildenden Maßnahmen im Ostseeraum steht gegenwärtig im Zentrum einer zunächst gemeinsam mit russischen und deutschen Partner entwickelten Idee. An deren praktischer Umsetzung sollen nun alle Ostseeanrainer in einem gemischten Track II-Diplomatie- und Forschungsformat eingebunden werden. Die Frage bleibt, ob und wie kooperative Sicherheit mit Russland möglich ist.
- Im Rahmen einer weiteren internationalen Kooperation mit der Landesverteidigungsakademie Wien und der ETH Zürich beteiligt sich die Professur gegenwärtig an Analyse, Diskussion, Vergleich und Ableitung der neuesten sicherheits- und verteidigungspolitischen Strategiedokumente bzw. Konzeptionen Österreichs, der Schweiz und Deutschlands. Die Ergebnisse sollen im Herbst in Wien vorgestellt werden.
In einer Zeit, in der eine neue Großmächtekonkurrenz ausgerufen wurde und die Außenpolitiken der USA, Chinas und Russlands zunehmend konfrontativer, unilateraler und von Machtprojektionen und Rüstungsdynamiken geprägt werden, stellt sich umso dringlicher die Frage nach dem Weg Europas/der Europäischen Union. Zu einer umfassend handlungsfähigen EU gehört auch eine Außenpolitik, die über einen umfassenden Instrumentenkasten und den politischen Willen verfügt, diesen gemeinsam einzusetzen. Wo steht die EU heute? Wie souverän und handlungsfähig ist sie in ihrer Außen- und Sicherheitspolitik, inklusive der Verteidigung? Was benötigt sie für eine selbstständige Außenpolitik und welche Schritte führen zum Ziel? Mit diesen Fragen befasst sich eine gut besetzte und besuchte Konferenz an der Landesverteidigungsakademie in Wien im September 2019. „Europäische Sicherheit: Die EU auf dem Weg zu strategischer Autonomie und Europäischer Verteidigungsunion?“, so der Titel der Tagung, deren Ergebnisse zum Teil in die gleichnamige WIFIS-Aktuell-Publikation einflossen, die im Sommer 2020 veröffentlicht wird.
Darüber hinaus befasst sich die Professur über Stellungnahmen (Kommission „Zukunft der Bundeswehr und Europäische Sicherheit“), Mitarbeit in Gremien und Beiräten sowie grundsätzlich in Ihrer Lehre und Forschung (Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU/Rüstungskontrolle als ) auf unterschiedliche Weise mit diesem Themenkomplex.
Letzte Änderung: 21. Juli 2020