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Tagung „Soziale Sicherung Selbstständiger – interdisziplinäre und internationale Betrachtungen“
14. September 2020 @ 8:00 - 17:00
Der digitale Auftakt zur Tagung
Soziale Sicherung Selbstständiger – Interdisziplinäre und internationale Betrachtungen
Themenstellung
Selbstständige sind in den sozialen Sicherungssystemen europäischer Staaten unterschiedlich integriert. In Systemen, die sich – wie die deutsche Pflegeversicherung oder das britische Beveridge-Modell – auf die ganze Bevölkerung erstrecken, sind sie ohne weiteres erfasst. Auch in Systemen, die wie die Erwerbstätigenversicherung in Österreich die Erwerbstätigkeit zum Ausgangspunkt einer Pflichtversicherung nehmen, werden sie systematisch berücksichtigt. Spezifische Sicherungssysteme bestehen für einzelne Selbstständigengruppen in Form der ebenfalls staatlich verantworteten berufsständischen Versorgung z.B. in Deutschland. In sozialen Sicherungssystemen, die an die abhängige Beschäftigung anknüpfen (typischerweise in den Systemen der sog. Bismarck’schen Versicherung), werden Selbstständige dagegen unsystematisch und historisch kontingent berücksichtigt.
Die herkömmliche Unterscheidung von selbstständiger und abhängiger Erwerbstätigkeit ist u.a. mit den Möglichkeiten, die die Digitalisierung bietet, fragwürdig, die systematische Anknüpfung sozialer Sicherung an den jeweiligen Status problematisch geworden. Wissenschaftlich wird deshalb seit einiger Zeit über die Selbstständigkeit als Anknüpfungspunkt sozialer Sicherung in unterschiedlichen Disziplinen diskutiert. In den Wirtschaftswissenschaften wird die Frage nach den ökonomischen Wirkungen der jeweiligen Systeme für die unterschiedlichen Gruppen von Erwerbstätigen und ihrer Familien sowie nach den Auswirkungen mangelnder Sicherung auf die Sozialausgaben des Staates aufgeworfen und über Alternativen nachgedacht. Aus sozialwissenschaftlicher Sicht stellen sich Fragen einerseits nach dem Wandel der Arbeit, andererseits nach dem Sicherungsbedürfnis Selbstständiger und dem Spannungsverhältnis von Akzeptanz sozialer Sicherung und individueller Autonomie in Gestalt der Freiheit von Pflichtversicherung. Aus rechtswissenschaftlicher Sicht werden Fragen der sozialen Gerechtigkeit der bestehenden Systeme unter Berücksichtigung des stattfindenden Wandels sowie Fragen der rechtlichen Anpassung dieser Systeme unter Bedingungen dieses Wandels behandelt. Aus politikwissenschaftlicher Perspektive sind Fragen nach der Governance sozialer Sicherung im Hinblick auf diesen sozialen und wirtschaftlichen Wandel zu diskutieren.
Impulse für die aktuelle Diskussion sind aus der Beobachtung der Diskurse in unterschiedlichen Staaten zu erwarten. Mithilfe dieser Beobachtung lassen sich spezifische Probleme und auch Lösungsansätze bei der sozialen Sicherung Selbstständiger identifizieren und die jeweiligen Systeme im internationalen Vergleich einordnen. Mit der Berücksichtigung mehrerer Disziplinen will die Veranstaltung einen Beitrag zum interdisziplinären Verständnis des Themas leisten. Zugleich lässt sie sich als Beitrag zu einem internationalen und europäischen Diskurs über soziale Sicherung verstehen. Nicht zuletzt erfordert insbesondere im Gebiet der Europäischen Union vielfältige Koordinierung sozialer Sicherung als Folge der unionsrechtlichen Freizügigkeit und Niederlassungsfreiheit.
Organisation und finanzielle Unterstützung
Die Tagung wird von Margarete Schuler-Harms und Ortrud Leßmann mit Unterstützung von Katharina Goldberg im Rahmen des Teilprojekts Soziale Sicherung und Selbstständigkeit organisiert. Die DFG hat finanzielle Unterstützung zugesagt.
Wegen Corona wurde die Tagung im Präsenzformat auf das Jahr 2021 verschoben. Ein digitaler Auftakt findet im September 2020 statt.