Modellbildung und Validierung

Die Vorhersage von Bauteileigenschaften ist über alle Phasen der Produktentwicklung von entscheidender Bedeutung. Bereits in der frühen Phase des Entwicklungsprozesses kann durch eine akkurate Modellierung das Zusammenspiel verschiedener Baugruppen oder Materialien untersucht und optimiert werden. Dies ist insbesondere dann von Vorteil, wenn es um den Einsatz neuer Technologien, Methoden oder Algorithmen geht. Neben der Umsetzung funktionaler Anforderungen können aber auch Vorgaben an die Lebensdauer eines Produktes modellbasiert überprüft und sichergestellt werden.

In diesem Stadium des Produktentstehungsprozesses spielen physikalische und phänomenologische Wirkmechanismen eine besondere Rolle. Somit muss für jedes Modell eine Validierung auf experimenteller Basis erfolgen, um dessen Zuverlässigkeit zu garantieren. Für Anwendungen in der Medizintechnik, der Luftfahrt oder der Automobilindustrie sind hierfür hohe Standards gesetzt, die der Forschungsbereich Modellbildung und Validierung in diesem Kontext ganzheitlich abbildet.

Das servohydraulische Labor des MRP bietet in diesem Zusammenhang eine Prüfinfrastruktur für entwicklungs- und serienbegleitende Bauteilprüfungen. Es ergibt sich ein anwendungsbezogenes Forschungsumfeld, in welchem die gewonnenen Daten und Erkenntnisse direkt in bestehende Forschungsprojekte und den Ausbau von Systemkompetenzen einfließen.

Auch lassen sich frühzeitig neue Handlungs-/ Forschungsfelder identifizieren und methodengeleitet – zum Beispiel durch die Konzeption und Umsetzung problemspezifischer Ersatzprüfungen – untersuchen. Hierbei finden sowohl in der Versuchsplanung als auch in der Auswertung beziehungsweise Modellbildung statistische Verfahren Anwendung.

Der Ansatz der Modellbildung und Validierung wird für verschiedene Produkte in jeweils eigenen Forschungsschwerpunkten umgesetzt. Nachfolgend wird die Vorgehensweise beispielhaft für zwei Schwerpunkte erläutert.

Dem Forschungsschwerpunkt Luftfedern liegt eine langjährige Kooperation mit einem Zulieferer von Luftfedersystemen für PKW zu Grunde. Aus dieser Zusammenarbeit gingen bereits Arbeiten zu Auslegung, Komfort und Lebensdauer hervor. Ein Schwerpunkt der aktuellen Forschungsaktivitäten liegt in der detaillierteren Untersuchung lebensdauerbeeinflussender Parameter für Luftfederbälge. In diesem Zusammenhang werden Ersatzprüfungen abgeleitet, welche die Belastungen auf diesen Werkstoffverbund im Feld abbilden. Neben dem Abgleich mit Daten aus serienbegleitenden Betriebsfestigkeitsprüfungen, soll eine Überführung in ein robustes Modell zur Lebensdauerberechnung erfolgen.

In einem weiteren Forschungsprojekt wird zudem ein Ansatz zur Lösung des Zielkonflikts zwischen steigenden Komfortansprüchen und kleiner werdenden Bauräumen an der Luftfeder untersucht. Im Fokus liegt hier der Einsatz adsorptiver Materialien wie Aktivkohle oder offenporiger Schäume. Über diese können das statische und dynamische Systemverhalten des eingeschlossenen Luftvolumens ohne zusätzlichen Bauraumbedarf eingestellt werden. Das Forschungsziel liegt hierbei in einer modellgestützten Auslegung, welche neben mechanischen auch physikalische und thermodynamische Aspekte einbezieht.

Der Forschungsschwerpunkt Endoprothetik beschäftigt sich mit den Wechselwirkungen zwischen künstlichem Gelenkersatz (Metall) und dem menschlichen Knochengewebe (biologisches Material). Hier stehen tribologische bzw. rheologische Fragestellungen im Vordergrund. Durch einen künstlichen Gelenkersatz wird die Funktionalität des Gelenks wiederhergestellt, die dem Patienten eine schmerzfreie Mobilität zurückgibt. Die Lebensdauer des künstlichen Gelenks ist allerdings aufgrund verschiedener Faktoren limitiert.

Eine wichtige Rolle in Hinblick auf Prothesenversagen spielen Abriebpartikel. Mikrostrukturierte Oberflächen können den negativen Effekt dieser Partikel auf das Reib- und Verschleißverhalten der Kontaktpartner maßgeblich beeinflussen. Computersimulationen helfen dabei, die Einflussgrößen (z.B. Kanaltiefe, -breite) zu analysieren und die Strukturierung hinsichtlich der Gleiteigenschaften zu optimieren.

Für die Simulation werden neben den Materialeigenschaften der Gleitpartner auch die rheologischen Eigenschaften des Schmiermediums benötigt. Durch begleitende Versuche, die zusammen mit unserem Kooperationspartner am Universitätsklinikum Heidelberg geplant und umgesetzt werden, wird die Validierung des Gesamtmodells ermöglicht. Die Forschungsschwerpunkte Tribologie von Gleitlackbeschichtungen, gefüllte Kunststoffe beim geschmierten Gleitkontakt und dynamisches Verhalten nasslaufender Lamellenkupplungen sind ebenfalls in dem Forschungsfeld Modellbildung und Validierung angesiedelt.

Projekte (laufend)

  • Breitenbach: Modellbildung einer mit Adsorbens gefüllten Luftfeder zur Auslegung eines virtuellen Luftvolumens
  • Goellner: Charakterisierung der Reibungs- und Verschleißmechanismen in gleitlackbeschichteten Magnetsystemen unter Berücksichtigung SCR-System spezifischer Randbedingungen
  • Lips: Methodenentwicklung zur Lebensdauervorhersage von Axiallageluftfedern
  • Wonerow: Einfluss künstlicher Hüftgelenkspfannen auf die umliegende Knochenstruktur und Oberflächenstrukturierung zur Reduzierung von Reibung und Verschleiß niedrig-kongruenter keramischer Gleitpaarungen
  • Nuppnau: Dauerfestigkeits- und Rissfortschrittsuntersuchungen an Luftfahrzeug-Zug-Druck-Stangen

Projekte (abgeschlossen)

  • Rocker: Tribologie – gefüllte Kunststoffe im geschmierten Gleitkontakt
  • Förster: Beitrag zur Untersuchung der Lebensdauerabschätzung und des Walkverhaltens von Luftfederbälgen mittels statistischer Methoden
  • Vereinfachte Lebensdauerersatzprüfungen für Luftfedern (Rambacher)
  • Löcken: Für den Schwingungskomfort relevante Eigenschaften von Rollbalg-Luftfedern

Kontakt

Stephan Breitenbach

HSU

Letzte Änderung: 2. August 2021