Verbundkoordination:
Prof. Dr. Katharina Liebsch
Dr. Lisa Wiedemann
Laufzeit:
15.10.2023-31.03.2026
Förderung:
BMBF
Kooperation:
Susanne Grebe-Deppe, Pro Inklusion e.V. // Thomas Oeben, Helferportal GmbH & Co KG
Das Projekt „Mehrsprachiges und barrierearmes digitales Assistenz Portal zur Unterstützung von Sorgegemeinschaften“ – MEAPP – wird vom Bundesforschungsministerium für Bildung und Forschung gefördert.
Motivation
Pflegende Angehörige brauchen Entlastung und Menschen mit Behinderung brauchen mehr Teilhabe im Alltag und am sozialen Leben. Aber nicht selten ist der Zugang zu Leistungen durch komplizierte bürokratische Verfahren, Personalengpässe, Informationsmangel und sprachliche Hürden (z.B. wenn Deutsch nicht die Erstsprache ist) erschwert. Ein mehrsprachiges, barrierearmes digitales Assistenzportal soll den Zugang zu flexiblen und kurzfristigen Assistenzangebote erleichtern.
Ziele & Vorgehen
MEAPP will niedrigschwellige Wege zu einem digitalen Zugang zu Assistenzleistungen ermöglichen und so die Anbahnung und die Vermittlung von Assistenz erleichtern.
Ziel ist die Etablierung einer Assistenz-Plattform. Sie stellt Informationen rund um Pflege und Assistenz mehrsprachig und sprachlich inklusiv zur Verfügung und erprobt digitale Assistenz als eine neue Form der Leistungserbringung. MEAPP entwickelt die Plattform Helferportal (www.helferportal) zu einem Assistenzportal weiter und sorgt für die sozialräumliche Verankerung der neuen Assistenz-Plattform. Um dies passgenau und bedarfsgerecht umzusetzen, werden Sorgegemeinschaften vor Ort am Prozess der Entwicklung und Verbreitung auf vielfache Art und Weise beteiligt.
Projektleitung:
Prof. Dr. Katharina Liebsch
Laufzeit:
03/2021 – 12/2024
Förderung:
DTEC Bw
Kooperation:
Prof. Dr. Eric Sons, Abt. Soziale Arbeit, Northern Business School Hamburg; Kerstin Falk, pro familia Hamburg; Imke Schaffitzel, basis&woge Hamburg
Das Projekt untersucht die Erfordernisse und Hemmnisse von Digitalisierung bei Sozialunternehmen aus dem Bereich der Familien- und Lebenshilfe, denen es an Know-How und Mitteln für die Basisausstattung an Hardware, der Betreuung des Betriebs von Hard- und Software sowie insgesamt an Konzepten für Digitalisierung als ein organisational übergreifendes Ziel mangelt.
In enger Kooperation mit ausgewählten Sozialunternehmen werden organisationsspezifische Problembeschreibungen, Bedarfsanalysen, Strategieplanungen und Umsetzungen der „Digitalisierung der psychosozialen Beratung im Feld der Familien- und Lebenshilfe“ realisiert.
Dabei gilt es, sowohl Organisationsentwicklung als auch Professionalisierung der Mitarbeiter*innen zu betreiben und darüber hinaus Digitalisierung so zu gestalten, dass sie menschenfreundlich und datenrechtlich sicher ist sowie dem Leitbild von Sozialunternehmen und den Anforderungen psychosozialer Beratung und Therapie entspricht.
Neues aus dem Projekt:
Alexander Degel ist diesjähriger Preisträger des Gaetano Benedetti Gedächtnispreises der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft (DPG)!
Der Preis wird am 10.05. 2024 bei der Jahrestagung der DPG verliehen.
Alexander Degel erhält die Auszeichnung für seinen Aufsatz mit dem Titel „Die gesellschaftliche Produktion von »Hilfsengeln« und »Abschaum« zur Abwehr von Vernichtungsängsten – Eine psycho-soziale Perspektive auf eine Organisation der Sozialen Arbeit“. In diesem Text reflektiert der Preisträger Beobachtungen und empirische Einsichten aus dem dtec-Projekt „Digitalisierung der psychosozialen Beratung im Feld der Familien- und Lebenshilfe“ (PsyBeDig).
Wir gratulieren sehr herzlich!
Projektleitung:
Prof. Dr. Wolfgang Menz
Prof. Dr. Almut Peukert
Laufzeit:
09/2020 – 08/2023
Förderung:
BWFG Landesforschungsförderung
Kooperation:
UHH, WiSo-Fakultät, Fachbereich Sozialökonomie (Fachgebiete Soziologie, VWL, BWL) und Fachbereich VWL / HAW, Fakultät Wirtschaft und Soziales
Im Verbund-Projekt „Sorgetransformationen. Forschungsverbund interdisziplinäre Carearbeitsforschung“ arbeiten Wissenschaftler_innen aus der Soziologie, der Volkswirtschaftslehre, der Betriebswirtschaftslehre, der Sozialen Arbeit und der Rechtwissenschaft gemeinsam an der Erforschung der Umbrüche bezahlter und unbezahlter Sorgearbeit und ihrer institutionellen, kulturellen, ökonomischen und technologischen Kontexte. Der Forschungsverbund besteht aus Mitgliedern der Universität Hamburg (UHH), der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW) und der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg (HSU) und wird von der Landesforschungsförderung Hamburg seit dem 1.9.2020 für drei Jahre gefördert.
Ziel des Verbund-Projekts ist die interdisziplinäre Analyse von Carearbeit mit Blick auf gesellschaftlich spannungsreiche Wandlungs- und Krisenprozesse in den Feldern Arbeit, Wohlfahrtsstaat, Demografie und Arbeitsmarkt, Lebens- und Familienformen sowie Technologien: Welche neuen Verknüpfungen von bezahlter und unbezahlter, von beruflicher, semi-professioneller und Laienarbeit entstehen durch veränderte Geschlechterverhältnisse und den demographischen, sozialstaatlichen und globalen ökonomischen Wandel? Welche Konflikte und sozialen Ungleichheiten, aber auch neuen Solidaritäten und Potenziale für sozial nachhaltige Arrangements gehen damit einher?
Untersucht werden Spannungen zwischen Persistenz und Transformation innerfamilialer Arbeitsteilung und Geschlechterungleichheiten, Wechselwirkungen von Verschiebungen im Wohlfahrtssaat und demografischen Konstellationen, Wandel von Prinzipien und (Wert-)Maßstäben der Sorge- und Fürsorgeerbringung sowie Umbrüche in der gesellschaftlichen Bewertung und Anerkennung von Sorgearbeit.
Teilprojekt „Technisierung von Sorgearrangements, das Paradigma der AAL und neue A-Symmetrien der Mensch-Technik-Interaktion“ am Arbeitsbereich Mikrosoziologie der HSU:
Eine Form der gesellschaftlichen Gestaltung des Umgangs von Sorge-Aufgaben besteht in der Intensivierung der Suche nach technisch-technologischen „Lösungen“: So soll eine Technisierung der Hausarbeit zu Entlastungen in der familialen Sorgearbeit führen, Pflegeroboter sollen in der stationären Alten- und Krankenpflege die Fachkräfte unterstützen und digitale Vernetzungstechnologien und smart devices sollen die Ortsbindung auch der pflegerischen Erwerbsarbeit reduzieren.
Wenngleich zwischen technologischen Möglichkeiten und alltäglichen sozialen Praktiken erhebliche Unterschiede bestehen, so verändert doch bereits die Produktion und Verfügbarkeit neuer Technologien das Zusammenspiel von kulturellen Praktiken, technischen wie auch körperlichen Materialitäten und medial-diskursiver Repräsentation von Sorgearrangements. Beispielsweise wird die Frage, welche Formen von technisch-technologischer Unterstützung zur Versorgung von hilfebedürftigen Personen als angemessen gelten und welchen Regeln ihr Einsatz folgen sollte, kulturell variabel, milieu- und geschlechtsabhängig ausgehandelt und lebensphasenspezifisch festgelegt: die inhaltliche Bestimmung des „Wohls“ der zu versorgenden Person variiert nicht nur mit dem Alter (z.B. „Kindeswohl“, „Pflege-Ethik“), sondern auch mit den Anforderungen und dem Ausmaß der Sorgearbeiten (bei Schwerstbehinderten anders als in der geriatrischen Langzeitpflege). Dementsprechend bestimmt sich im Kontext von sozialer Ungleichheit und bereichsspezifischen Wissenspolitiken, welche Medikamente, Technologien und Apparaturen alltäglicher Unterstützung in die jeweiligen Sorgearrangements eingebracht werden.
Im Fokus des Teilprojekts stehen situierte soziale Settings und kulturelle Praktiken der Ausgestaltung technisierter Sorgearbeitskonstellationen in der Lebensphase Alter. Am Beispiel des Topos‘ vom ‚Erhalt von Lebensqualität bis ins hohe Alter‘, welcher die technischen Assistenzen als Autonomie-Generatoren im Paradigma des AAL (Ambient Assisted Living) propagiert und realisiert, wird in mikrosoziologischer Perspektive untersucht,
wie genau sich technisch unterstützte Sorge-Konstellationen über ein gesellschaftlich-kollektives Verständnis von Altersgruppen angemessenem „Wohl“ stabilisieren,
welche Legitimationen, Normen und Praktiken dabei zur Anwendung gebracht werden,
welche Sorgebedarfe adressiert, welche ignoriert und welche neuen hervorgebracht werden,
durch welche sozialpolitischen, politökonomischen, sozialökologischen, sozialpädagogischen und psychologischen Faktoren und Einflüsse die propagierte technisch-technologische Unterstützung möglicherweise auch de-stabilisiert werden kann,
sowie die sozialtheoretisch übergreifende Frage bearbeitet, welche Formen und Verständnisse von Wechselseitigkeit und Relationalität die Technisierung im Lebens- und Care-Bereich älterer Menschen mit sich bringen und welche Folgen damit für das politische Anliegen, auch andere, kollektive Praxen der Sorge/Versorgung zu etablieren, verbunden sind.
Projektleitung:
Prof. Dr. Katharina Liebsch / Prof. Dr. Lemke
Laufzeit:
2010-2014
Förderung:
BMBF
Kooperation:
Prof. Dr. Thomas Lemke, Fb Gesellschaftswissenschaften der Goethe Universität Frankfurt
Genetische Diskriminierung in Deutschland – Eine Untersuchung zu Erfahrungen von Benachteiligung und Andersbehandlung aufgrund genetischer Krankheitsrisiken
Im Verlauf der letzten zwanzig Jahre haben Studien aus den USA, Großbritannien und Australien gezeigt, dass das stetig wachsende genetische Wissen zu neuen Formen von Benachteiligung, Stigmatisierung und Ausschließung führen kann. Im Zuge dessen wurde der Begriff „genetische Diskriminierung“ geprägt, der die Ungleichbehandlung von Menschen aufgrund vermuteter oder tatsächlich vorhandener genetischer Merkmale bezeichnet. Die vorliegenden Studien haben Benachteiligungen und Andersbehandlungen in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen nachgewiesen, bei Versicherungen oder im Rahmen von Adoptionsverfahren.
Es ist jedoch unklar, wie häufig auch Menschen in Deutschland solche und andere Ungleichbehandlungen und Benachteiligungen erfahren, da bislang keine systematische Untersuchung zu dieser Thematik vorliegt.
Diese Forschungslücke wurde nun mit dieser umfassenden empirischen Studie geschlossen. Ziel war es, Erfahrungen von Menschen zusammenzutragen, die aufgrund einer (vermuteten) Veranlagung für eine genetisch bedinkte Erkrankung diskriminiert wurden. Im Mittelpunkt standen dabei folgende Fragen:
• Gibt es Hinweise auf Benachteiligungen und Ausgrenzungen aufgrund genetischer Merkmale?
• Welche Formen der Andersbehandlung gibt es?
• In welchen Bereichen erfolgen Benachteiligungen und Ausgrenzungen und wie gehen Betroffene damit um?
Die Untersuchung ging von der Annahme aus, dass prinzipiell vier Personengruppen von Praktiken genetischer Diskriminierung betroffen sind:
• Personen, für die ein auffälliges Untersuchungsergebnis für eine autosomal-dominante Erkrankung vorliegt, an der sie mit hoher Wahrscheinlichkeit erkranken werden;
• Personen, bei denen eine genetische Veranlagung für eine Krankheit festgestellt wurde, an der sie in Zukunft möglicherweise, aber nicht sicher leiden werden;
• Personen mit vollkommen behandelbaren genetischen Krankheiten;
• heterozygote „Träger“ von rezessiven Merkmalen, die nicht bei ihnen selbst, aber möglicherweise bei ihren Kindern zur Erkrankung führen.
Es wurden vier Krankheiten exemplarisch ausgewählt, die unterschiedliche Vererbungswege, Symptomatiken und genetische Charakteristika und die damit einhergehenden Krankheitserfahrungen repräsentieren:
• Familiäre Adenomatöse Polyposis (FAP)
• Familiärer Brust- und Eierstockkrebs (BRCA1 / BRCA2)
• Eisenspeicherkrankheit (hereditäre Hämochromatose, HH)
• Cystische Fibrose (CF / Mukoviszidose)
Das Projekt zielte darauf, die Auswirkungen genetischer Diskriminierung auf Individuen und ihre Familien sichtbar zu machen sowie zu beschreiben, wie die Betroffenen das Risiko einer genetischen Diskriminierung zu minimieren und zu bewältigen versuchen.
In der ersten Projektphase fand eine fragenbogenbasierte Umfrage bei einschlägigen Selbsthilfegruppen und ausgewählten genetischen Beratungsstellen statt, die einen Einblick in die Verbreitung, die Formen und Dimensionen genetischer Diskriminierung ermöglichen soll.
Darauf aufbauend wurden in der zweiten Projektphase etwa 60 leitfadengestützte Interviews durchgeführt, die Auskunft über Erfahrungen und Umgangsweisen mit Praktiken genetischer Diskriminierung gaben.
Zur Vertiefung, Erweiterung und Fundierung der gesammelten Informationen wurden in der dritten Projektphase für jede der oben genannten Krankheiten drei bis fünf Interviews mit Familienmitgliedern, Arbeitgebern oder Vertretern von Versicherungsunternehmen durchgeführt.
Das Forschungsprojekt war ein Verbundprojekt des Fachbereichs Gesellschaftswissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt und der Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften der Helmut-Schmidt-Universität / Universität der Bundeswehr Hamburg. Es wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Förderschwerpunkts „Ethische, rechtliche und soziale Aspekte der modernen Lebenswissenschaften und der Biotechnologie“ mit dem Förderkennzeichen 01GP1009B gefördert.
Literatur:
Thomas Lemke / Katharina Liebsch (Hg.): Die Regierung der Gene. Formen und Felder von Benachteiligung aufgrund genetischer Disposition. Wiesbaden: Springer 2015
Katharina Liebsch: Genetische Intimität. Zur (Neu-)Regulierung enger Beziehungen und körperlicher Verbundenheit durch Gendiagnostik, In: Feministische Studien 1/2014, S. 24-38.
Thomas Lemke / Katharina Liebsch / Tabea Eißing / Bettina Hoeltje / Ulrike Manz / Tino Plümecke: Genetische Diskriminierung in Deutschland? Erfahrungen von Andersbehandlung und Benachteiligung aufgrund genetischer Krankheitsrisiken In: Soziale Welt 64, Heft 3, 269-290.
Projektleitung:
Prof. Dr. Katharina Liebsch
Laufzeit:
07/2017 – 06/2018
Förderung:
IFF
Koopration:
–
Materialitäten und Repräsentationen des Zukünftigen. Hybrides Wissen und die Macht des Versprechens im Feld der „Bio-Art“:
Die unter der Bezeichnung „Bio-Art“ firmierende künstlerische Auseinandersetzung mit Gen- und Biotechnologien adaptiert deren Produkte und Praktiken in Kunstwerke und Performances. Damit sollen die in der Bio-und Gentechnologie transportierten Visionen von Zukunft sichtbar gemacht und materiell erfahrbar gemacht werden. Die in der „Bio-Art“ vorfindlichen künstlerischen Auseinandersetzungen mit Genetifizierung und Datifizierung des Lebendigen beruhen zumeist auf einer Kooperation mit wissenschaftlichen Einrichtungen oder mit selbständig arbeitenden, sog. Do-it-Yourself Bio-Hackern, welche die gen- und biotechnischen Materialien, Lebewesen und Methoden für die künstlerische Auseinandersetzung zur Verfügung stellen. Mittlerweile existieren eine Vielzahl von Bio-Art-Netzwerken zwischen Künstler_innen, Galerien und Museen, wie z.B. das Art Laboratory Berlin oder die finnische Bio-Art-Society. Teilweise formulieren diese Einrichtungen auch Kritik an der Rolle von Wissenschaft in der Gesellschaft und so bewegen sich „Bio-Art“-Künstler_innen in einem normativen und durch unterschiedliche Interessen geprägten Spannungsfeld zwischen Wissenschaft, Kunst, Wissenschaftskommunikation, Öffentlichkeit, Wissenschaftskritik und Kommerz.
Das Forschungsvorhaben erfasst und analysiert die Dynamiken und die Inhalte dieses Spannungsfeld. Folgende Fragestellungen werden in den Blick genommen:
(1) Wie werden die Versprechen, Verheißungen, möglichen Bedrohungen und potenziellen Grenzüberschreitungen, die die Verfahren der Bio- und Gentechnologien transportieren, in ausgewählten Kunstwerken der Bio-Art von den Künstler_innen bildlich gefasst und künstlerisch repräsentiert? Welche Ideen und leitende Metaphern von (neuen) hybriden und unterschiedlich gestaltbaren gesellschaftlichen Naturverhältnissen sowie deren konkrete Transformationspfade werden in a) den Kunstwerken b) im Gefüge sowie c) den Praktiken von „Bio-Art“ verkörpert?
(2) Welche spezielle soziale, normative und ästhetische Strukturierungsfunktion erfüllt Bio-Art und wodurch zeichnet sich das weite Sinn- und Bedeutungsspektrum von „Bio-Art“ aus (Leitthemen, Widersprüche etc.)?
(3) Mit welchen theoretischen Begriffen, grundlagentheoretischen Perspektiven und analytischen Konzepten kann die eher auf Zukünftiges als Gegenwärtiges, eher auf Emergentes als Faktisches, eher auf Unsichtbares als Präsentes ausgerichtete Prozesshaftigkeit von „Bio-Art“, seine vorläufig-spekulative Qualität sowie seine Einbindung in diverse soziale und gesellschaftliche Wechselbeziehungen theoretisch angemessen beschrieben werden?
Publikationen
Katharina Liebsch (2019): Zwischen Science Fantasy und ontologischer Politik. Künstlerischer Technomaterialismus jenseits der Geschlechtergrenzen. In: feministische studien 2/2019: Cyborgs revisited: Zur Verbindung von Geschlecht, Technologien und Maschinen. Berlin: deGruyter, S. 269-288
Katharina Liebsch (2018): „Bio-Art“ als imaginäre Institution? Zur kulturellen Produktivität künstlerischer Auseinandersetzungen mit Bio- und Gentechnologien. In: Poferl, Angelika/Pfadenhauer, Michaela (Hg.): Wissensrelationen. Beiträge und Debatten zum 2. Sektionskongress der Wissenssoziologie. Weinheim/Basel: BeltzJuventa 2018, S. 726-736
Eric Sons (2018): (Wissens)Praktiken und performative Objekte als diskursive „Knotenpunkte“. Eine exemplarische Betrachtung von materialen „Artikulationen“ im Feld der Bio-Art. In: Poferl, Angelika/Pfadenhauer, Michaela (Hg.): Wissensrelationen. [Beiträge und Debatten zum 2. Sektionskongress der Wissenssoziologie. Weinheim/Basel: BeltzJuventa 2018, S. 207-216
Leitung:
Prof. Dr. Urs Stäheli, UHH
Laufzeit:
2015-2017
Förderung:
LFF Hamburg
Kooperation:
Hamburger Universitäten
FORSCHUNGSPROGRAMM
In jüngster Zeit wird unterschiedlichen Formen des Zusammenseins eine erstaunliche Prominenz zuteil, die bisherige Vorstellungen des Kollektiven auf den Prüfstand stellen: Protestbewegungen wie Anonymous entwickeln dezentrale Steuerungsformen im Internet, die sie in den urbanen Raum übertragen; die Occupy-Bewegung besetzt städtische Plätze und organisiert sich gleichzeitig über Social Media; neue Formen der Gastfreundschaft (z.B. Hospitality-Networks) kommen durch Social Media zustande und finden gleichzeitig ihren Ausdruck in klassischen face-to-face Interaktionen; urbaner Raum lässt sich auf Grundlage von digitalen kollektiven Gedächtnissen erfahren (z.B. Clio; Spotted by Locals). Diese Formen des Zusammenseins zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht nur ‚virtual communities’ sind, sondern dass sie sich gleichzeitig auch im städtischen Raum materialisieren und erfahren werden. Urbane und digitale Räume sind nicht mehr voneinander losgelöst, sondern verschränken sich auf bisher kaum verstandene Weise. So sind digitale Infrastrukturen im urbanen Raum verortet (z.B. Mobilfunkantennen), während dieser sich digitalisiert (z.B. Smart City).
Das Graduiertenkolleg untersucht, wie durch die wechselseitige Strukturierung urbaner und digitaler Räume, ja sogar deren Vermischung, neue hybride Räume entstehen und was diese Verschränkung für die Entstehung von Kollektivität bedeutet. Jede Form des Zusammenseins verfügt über eine räumliche Dimension: Dies gilt für klassische Kollektivitäten wie den Nationalstaat, der über sein Territorium bestimmt wird, wie auch für Kollektivitäten, die in digitalen Räumen entstehen, wie zum Beispiel auf der Internetplattform ‚Second Life’ oder in anderen anonymen Chat- und Spielforen. Meist wurden diese Räume als parallel und weitgehend unabhängig voneinander verstanden, was auch dazu geführt hat, dass sich unterschiedliche Disziplinen mit ihnen jeweils einzeln beschäftigt haben: Die Sozialwissenschaften z.B. mit Territorien oder mit städtischen Plätzen, die Medienwissenschaften mit dem ‚cyberspace’ oder mit virtuellen Räumen. In den letzten Jahren zeichnet sich jedoch ab, dass die saubere Trennung dieser Räume immer schwerer fällt: Digital organisiertes Zusammensein beschränkt sich keineswegs nur auf den digitalen Raum, sondern findet in öffentlichen Versammlungen im städtischen Raum neue Ausdrucksformen (z.B. Anonymous-Proteste). Gleichzeitig wird auch der städtische Raum insbesondere durch ortsbasierte Medien und die Allgegenwart von Smartphones digitalisiert. Dadurch werden spontane Organisationsformen möglich, die nicht zuletzt auch Fremde zusammenführen (man denke hier an die Organisation von dezentralen Protesten, aber auch die Schaffung von Mikrokollektiven wie z.B. Gastgemeinschaften durch Couchsurfing): Man findet gleichzeitig im Netz und vor Ort zusammen. Genau dies ist mit der wechselseitigen Durchdringung von urbanen und digitalen Räumen gemeint. Auf diese Weise hat sich, so unsere Annahme, die Voraussetzung für die Entstehung unterschiedlichster Formen von Kollektivität verändert. Damit formulieren wir keine raum- oder gar eine technikdeterministische Annahme. Räume, seien diese urbaner oder digitaler Natur, sind nicht einfach gegeben, sondern werden angeeignet und damit auch sozial mitproduziert. Es ist also gerade diese Wechselbeziehung zwischen urban/digitalen Räumen und der Herausbildung von Kollektivität, mit der wir uns beschäftigen.
Jenseits von Ethnomethodologie und Diskursanalyse.
Methodisch-methodologische Erprobung des „assemblage“-Ansatzes
Für die Erfassung vielschichtiger Sozialbeziehungen und wechselseitiger Wirkungszusammenhänge versucht diese Studie, den „assemblage“-Ansatz methodisch umzusetzen und methodologisch zu reflektieren. In Anlehnung an Paul Rabinow, der vorschlägt, sich dazu einer Art von wilder bricolage zu bedienen, um die „Gefüge“ der Gegenwart als „assemblage“ (Deuleuze/Guattari 1990) zu erforschen, sollen die noch nicht systematisch institutionalisierten Zusammenhänge zwischen neuem Wissen und neuen Technologien, veränderten Subjektivitäten und Vergemeinschaftungsformen, Mustern der politischen, ethischen und rechtlichen Regulierung und ökonomischen Interessen in konkreten Fallstudien sichtbar gemacht werden.
In zwei exemplarischen Fallanalysen einer „Assemblage“ wird multiperspektivisch untersucht, wie sich soziale Gefüge inhaltlich und relational durch bisherige Klassifikationen bestimmt ist und in welchen Handlungen, Regulativen und Institutionen es strukturiert und ausgestaltet wird. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht eine zirkuläre Befragung und Beobachtung aller beteiligten Personen/Rollenträger.