Netzwerk MMMR – 1. Arbeitstreffen

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Anwendungsfeldernmethodenintegrativer Forschung

 

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Am 26. und 27. Januar 2018 fand das erste Arbeitstreffen des Netzwerkes „Mixed Methods und Multimethod Research“ an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg statt.

Videos ausgewählter Beiträge finden Sie hier.

Unter dem Titel „Current Conceptualizations and Applications of Mixed Methods and Multimethod Research“ führten 17 Wissenschaftler_innen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und den USA eine intensive und breit gefächerte Diskussion über aktuelle Fragen und Entwicklungstrends in der methodenintegrativen Sozialforschung. Hierbei kamen sowohl methodische Aspekte (z.B. Forschungsdesign, Erhebungs- und Analyseverfahren), als auch methodologische und erkenntnistheoretische Fragen zur Sprache (z.B. die Bedeutung des Paradigma-Begriffs oder des kritischen Rationalismus für MMMR).

In seinem Keynote-Vortrag gab John Creswell (University of Michigan, Ann Arbor) einen sowohl historisch als auch interdisziplinär ausgreifenden Überblick über die Entwicklung der Mixed-Methods-Bewegung. Hierbei hob er besonders die Fortschritte bei der Institutionalisierung von MMMR im englischsprachigen Bereich hervor. Zwei gegenwärtige institutionelle Entwicklungen betonte Creswell besonders: Das neu etablierte Michigan Mixed Methods Research and Scholarship Program an der University of Michigan, sowie die erstmalige Verankerung von Best-Practice-Richtlinien für qualitative Forschung und MMMR im Style-Manual der American Psychological Association.

In seiner Keynote-Präsentation argumentierte Burke Johnson (University of South Alabama, Mobile) für die Adaption einer pluralistischen MMMR-Perspektive bei der Analyse von Kausalität. Ausgehend von einem Überblick über die philosophiegeschichtliche Vielfalt von Kausalitätskonzeptionen schlug Johnson eine Methodologie vor, die die aktive Suche nach Kombinationsmöglichkeiten unterschiedlicher Kausalitätsverständnisse anregt. Das in Kollaboration mit Federica Russo und Judith Schoonenboom entwickelte Konzept des „causal mosaic“ wurde als heuristischer Rahmen für solche Integrationsbemühungen vorgeschlagen.

Die Präsentationen des Folgetages (27. Januar) stellten verstärkt den interdisziplinären Charakter der Netzwerktätigkeit in den Vordergrund. Wissenschaftler_innen aus den Feldern Psychologie (Peter Holtz, Özen Odag), Erziehungs- und Bildungswissenschaften (Michaela Gläser-Zikuda, Gerda Hagenauer), sowie Soziologie (Felix Knappertsbusch, Udo Kelle) stellten hier ihre Arbeiten zur Diskussion.

Die Präsentation von Peter Holtz und Özen Odag lieferte einen konzisen Überblick über häufige Missverständnisse in Bezug auf die methodologischen und erkenntnistheoretischen Arbeiten Karl Poppers. Der kritische Rationalismus und seine falsifikationistischen Grundprinzipien, so das Argument der Vortragenden, bilde eine gleichermaßen produktive Ausgangsbasis für qualitative, quantitative und methodenintegrative Forschung. Die Präsentation wurde aber auch zum Anlass genommen, Grenzen und Leerstellen des kritisch-rationalistischen Wissenschaftsmodells zu diskutieren.  Hierbei traten auch interessante Unterschiede bzgl. Rezeption und Wirkung der Popperschen Ideen zwischen deutsch- und englischsprachigen Wissenschaftsdiskursen zutage.

Felix Knappertsbusch beschrieb Möglichkeiten einer Anwendung von Andrew Abbotts Konzept der „fractal heuristics“ auf die Methodologie von MMMR. Die Idee fraktaler Unterscheidungen wurde hier als heuristisches Konzept vorgeschlagen, dass einerseits die Unschärfe der Grenzen zwischen Mono-Methodentraditionen, und somit auch deren Komplementarität betont. Andererseits zeigte Knappertsbusch, wie mithilfe der Fraktal-Metapher Unterscheidungen und Konfliktlinien im Feld der MMMR-Methodologie selbst erklärt und gestaltet werden können. Die anschließende Diskussion kreiste insbesondere um Möglichkeiten und Grenzen der Integration verschiedener MMMR-Ansätze.

Michaela Gläser-Zikuda und Gerda Hagenauer gaben Einblick in den gegenwärtigen Stand der Mixed-Methods-Forschung im Feld der Bildungs- und Erziehungswissenschaften. Die Dominanz quantitativer Verfahren im Bereich der bildungswissenschaftlichen Methodenintegration war hier ebenso ein Thema wie das Fortbestehen einer generellen Skepsis gegenüber Mixed-Methods-Ansätzen auf Seiten qualitativ-erziehungswissenschaftlicher Forschungstraditionen. Ausgehend von eigenen Forschungsarbeiten schlugen die Referentinnen Möglichkeiten zur Methodenintegration unter der Prämisse einer gleichen Gewichtung qualitativer und quantitativer Forschungsansätze vor.

Udo Kelle formulierte eine Kritik des durch die amerikanischen Methododolog_innen Egon Guba und Yvonna Lincoln geprägten Paradigma-Begriffs. Sowohl die Prämisse einer determinierenden Funktion strikt unterschiedener methodologischer Rahmenkonzepte für die Forschungspraxis, als auch die Annahme einer Inkommensurabilität unterschiedlicher Paradigmen wurde auf der Grundlage epistemologischer sowie sozial- und handlungstheoretischer Konzeptionen zurückgewiesen. Anhand eigener Forschungsergebnisse zeigte Kelle die Vereinbarkeit realistischer und konstruktivistischer Theorieperspektiven in der empirischen Sozialforschung auf.

Insgesamt vermittelte der Workshop ein eindrückliches und facettenreiches Bild der methodischen Potenziale und Entwicklungstendenzen, aber auch der Grenzziehungen und Konfliktlinien im Feld der methodenintegrativen Sozialforschung. So wurde auf vielfache Weise herausgearbeitet, wie die Grenzen zwischen Methodentraditionen nicht nur von methodischen Präferenzen, sondern ebenso von interdisziplinären, internationalen sowie bildungs-und wissenschaftspolitischen Differenzen geprägt sind. Insbesondere die anglo-amerikanische Perspektive der internationalen Gastwissenschaftler Johnson und Creswell gab hierbei immer wieder erhellende Einsichten in die Diversität des MMMR-Feldes.

HSU

Letzte Änderung: 24. Februar 2018