Liebe Universitätsmitglieder,
was für ein fürchterliches Jahr!
Der bundesweite Lockdown am 15. März, dem wenige Tage zuvor bereits der Shutdown der Universität durch die Überwachungsstelle für öffentlich-rechtliche Aufgaben des Sanitätsdienstes der Bundeswehr Nord voranging, hat die Prüfungsdurchgänge des Wintertrimesters und des Frühjahrstrimesters durcheinandergewürfelt. Die Lehrenden waren gezwungen, abrupt auf digitale Lehre umzustellen – mit durchaus heterogenen Ergebnissen.
Die Gelegenheiten zum Netzwerken für Studierende innerhalb und Forschergruppen innerhalb und außerhalb der Universität brachen nahezu vollständig weg; eine Kompensation über elektronische Wege war, wenn überhaupt, zunächst nur sehr schwer möglich. Das galt auch für meine eigenen Möglichkeiten, die Interessen unseres Hauses durch persönliches Networking zu vertreten.
Ein Ende der Krise war und bleibt nicht absehbar, das Jahr war geprägt durch das Weiterhangeln von einer Maßnahmenverlängerung zur nächsten. Erst die Aussicht auf die Zulassung von Impfstoffen versprach Aussicht auf Normalisierung, die allerdings mit dem vorläufigen Höhepunkt der Pandemie und dem zweiten Shutdown kurz vor Weihnachten erneut getrübt wurde. Die Aussicht auf eine Zweiklassengesellschaft von Geimpften und Ungeimpften stimmt mich auch nicht gerade zuversichtlich.
Die Trennung von Familie und Freunden, das Gefühl der Einsamkeit, eine immense Belastung von Familien mit Kindern, eine höhere arbeitsbedingte Stressbelastung, immer verbunden mit der angenommenen Gefahr, selber schwer zu erkranken oder sogar das Leben zu verlieren – das sind Faktoren, die Soldatinnen und Soldaten im Einsatz belasten. Und nun durch Corona uns alle.
Die Alleinstellungsmerkmale – Studium in Trimestern, Höchststudiendauer ist gleich Regelstudienzeit, Campusuniversität – machen uns für eine Pandemie besonders verletzlich. Anders als öffentliche Hochschulen können wir Prüfungen nicht einfach ein paar Wochen verschieben, bis die nächste vorlesungsfreie Zeit beginnt. Das funktioniert nur einmal, und das auch nicht reibungslos.
Trotzdem konnten wir unseren Auftrag in der Lehre, „Zum Master. Für so viele wie möglich. In 47 Monaten“, in diesem Jahr erfüllen. Wenn auch nicht unbedingt mit dem ursprünglichen Plan. Ich danke dem Team Lehre, den Studiendekan*innen und allen Lehrenden für ihre besonderen Anstrengungen und den Studierenden für ihre Anstrengungsbereitschaft und ihren Durchhaltewillen.
Auch die Forschung wurde durch die Pandemie maßgeblich eingeschränkt. Ressourcen wurden durch die Shutdowns abgeschnitten, die Möglichkeit zum Networking beschränkt, die Teilnahme an Tagungen und Kongressen unterbunden. Gleichwohl halte ich an der Vision, die Universität zu einem Wissenschaftscampus des Bundes von internationaler Sichtbarkeit zu machen, weiter fest.
Denn wir hatten trotz allem im Laufe des Jahres auch große Erfolge zu verzeichnen. Allen voran die Gründung des Zentrums für Digitalisierungs- und Technologieforschung der Bundeswehr (DTEC.Bw) gemeinsam mit unserer Schwesteruniversität in München. Eine halbe Milliarde Euro an Forschungsgeldern will das Bundesministerium der Verteidigung zur Förderung der digitalen Wirtschaft in den kommenden vier Jahren in dieses Zentrum fließen lassen. Ich danke dem Team Forschung und allen Forscherinnen und Forschern, die hier den Sommer über viel Engagement investiert haben, um unseren Anteil am DTEC auf einen guten Weg zu bringen. Die Ministerin hat sehr hohe Erwartungen in uns gesetzt, und ich bin zuversichtlich, dass es uns gelingt, sie zu erfüllen.
Auch unsere anderen großen Zukunftsthemen haben sich gut entwickelt, darunter millionenschwere Projekte zu Drohnenforschung, Energieversorgung und Wasserstofftechnologie. Mehrere neue Kooperationen wurden geschlossen, gleich zwei Heisenberg-Professuren konnte besetzt werden und unsere neue Partnerschaft mit dem Bundesinstitut für Risikobewertung befasst sich nun mit den psychologischen und volkswirtschaftlichen Dimensionen effizienter Krisenkommunikation. Unsere Zusammenarbeit mit dem ISL ermöglicht zahlreichen Studierenden eine praxisrelevante Master-Arbeit.
Zudem können wir positiv nach vorne blicken: Mit unserer Anmeldung für den ITS Congress 2020 in Hamburg haben wir den Grundstein für die Teilnahme unserer Universität an der weltweit bedeutendsten Fachmesse für intelligente Transportsysteme im Oktober 2021 gelegt. Demnächst dürfen wir eine Kollegin von der University of California at Berkeley als neues Helmholtz-Professorin begrüßen. Und DTEC.Bw wird uns über die nächsten vier Jahre zu einem ungeahnten Boost in der Forschung verhelfen. Nur zur Einordnung: Eine Exzellenz-Universität erhält über fünf Jahre so um und bei 130 Millionen Euro. Unsere Aktivitäten werden über vier Jahre mit 250 Millionen Euro gefördert. Die UHH als Exzellenzuniversität hat rund 600 Professuren, wir ein Fünftel davon.
Ich danke allen Kolleginnen und Kollegen, den Mitarbeiter*innen im Präsidialstab, dem COVID-19-Lagezentrum und der Verwaltung, den Soldatinnen und Soldaten im Studierendenbereich, den Fakultäten, den Zentralen Einrichtungen, allen, die sich in dem so wichtigen Hilfe-Netz und den Gremien engagieren, den Menschen in den Werkstätten und Laboren und den mit der Universität verbundenen Einrichtungen. Insbesondere möchte ich hier das Sanitätsversorgungszentrum Hamburg-Mitte nennen, dessen Leiter mir im letzten Jahr ein wichtiger medizinischer Ratgeber war und unsere Soldat*innen aufopferungsvoll medizinisch begleitet hat.
Ich wünsche Ihnen allen, dass Sie über die Weihnachtstage den Schrecken der Pandemie einmal vergessen können. Kommen Sie gut und vor allem gesund ins neue Jahr. Und bleiben Sie weiterhin tapfer.
Ihr
Klaus Beckmann