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Heinrich Hartmann
Biogramm
Forschungsschwerpunkte: Wissenschafts- und Technikgeschichte (insbesondere Demographie, Statistik, Anthropologie und Sozialwissenschaften), Europäische Geschichte in globaler Vernetzung, transnationale Geschichte, Geschichte von Entwicklungs- und Modernisierungspolitiken im ländlichen Raum, Geschichte Europas und des Mittelmeerraums, Unternehmensgeschichte.
In der historischen Forschung habe ich mich auf Themen der europäischen Geschichte in ihrer globalen und transnationalen Vernetzung konzentriert. Besonders interessiert mich dabei die Frage, wie die Genese von Wissen und Techniken des Sozialen gesellschaftliche Realitäten veränderte und bis heute verändert.
In den vergangenen zehn Jahren habe ich mich verstärkt mit Fragen ländlicher Modernisierung auseinandergesetzt und dabei die Verbindung zwischen europäischen Projekten „innerer Kolonisierung“ und den internationalen Modernisierungspolitiken im 20. Jahrhundert eingehender untersucht. Die Frage ländlicher Bevölkerungen und ihrer Regulierung spielte dabei eine besonders wichtige Rolle. Dies bildet den Hintergrund des derzeitigen von der DFG unterstützten Heisenbergprojektes „Europäische Wissensnetzwerke und landwirtschaftliche Entwicklungskonzepte im Mittelmeerraum im 20. Jahrhundert“. In meiner Habilitationsschrift (Habilitation Basel 2018) habe ich mich mit dem Einfluss internationaler Experten mit der ländlichen Entwicklungspolitik in der Türkei im 20. Jahrhundert auseinandergesetzt. Das Buch ist 2020 bei Campus (open access) erschienen und wurde auf HSozKult, History and Technology, Soziopolis und der Schweizerischen Zeitschrift für Geschichte besprochen.
In einem vorangegangenen Projekt habe ich mich mit den in Europa vor 1914 zirkulierenden Wissensbeständen zur Militärstatistik beschäftigt und dabei gezeigt, wie sich demographische Diskurse, Militarismus aber auch das Militär als Institution gegenseitig beeinflussten und bedingten. Das Buch ist 2011 bei Wallstein erschienen und 2019 in englischer Übersetzung von MIT Press publiziert worden. 2012 wurde es mit dem Henry-E.-Sigrist-Preis ausgezeichnet und wurde u.a. im American Historical Review, dem Journal of Economic History, dem Bulletin of the History of Medicine, HSozKult, der Historischen Zeitschrift und der Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte rezensiert.
Promoviert habe ich zuvor in einer Co-tutelle an der FU Berlin und der EHESS Paris. Die Dissertation beschäftigte sich mit einer deutsch-französisch vergleichenden Management- und Unternehmensgeschichte. Das Buch „Organisation und Geschäft“ ist 2010 in den Kritischen Studien zur Geschichtswissenschaft herausgekommen und rezensiert etwa im Journal of Modern History, der Vierteljahresschrift für Wirtschafts- und Sozialgeschichte, etc.
Link: Researchgate
CV
Seit 09/2022
W3 Professur Neuere Sozial-, Wirtschafts- und Technikgeschichte an der
Helmut-Schmidt-Universität Hamburg
08/2020 – 08/2022
Wissenschaftlicher Mitarbeiter, anschließend Inhaber der Heisenbergstelle
„Landwirtschaftliche Entwicklungskonzepte im Mittelmeerraum“ an der
Universität Konstanz
10/2018 – 09/2019
Junior Fellow am Historischen Kolleg, München
05/2018
Habilitation an der Historisch-Philosophischen Fakultät der Universität
Basel; „Die Konstruktion westlicher Moderne im anatolischen Dorf.
Ländliche Entwicklung und internationale Experten, 1947 – 1980“
02/2010 – 08/2018
Wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Neuere und Allgemeine
Geschichte am Departement Geschichte der Universität Basel (Prof. Dr. M.
Lengwiler)
09/2012
Henry-E.-Sigerist-Preis für Nachwuchsförderung in der Geschichte der
Medizin und der Naturwissenschaften
08/2006 – 12/2009
Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt „Vergangene Zukunft Europas“
am Frankreichzentrum der Freien Universität Berlin, Projektleitung: Prof.
Dr. Jakob Vogel
07/2006
Promotion an der Ecole des Hautes Etudes en Sciences Sociales (Paris) und
der Freien Universität (Berlin) (Co-tutelle de thèse); „Organisation und
Geschäft. Unternehmensorganisation in Frankreich und
Deutschland, 1890 – 1914“, Betreuung Jürgen Kocka / Patrick Fridenson
10/2004 – 05/2006
Stipendiat am Centre Marc Bloch, deutsch-französisches
Forschungszentrum für Sozialwissenschaften
09/2002 – 12/2003
Stipendiat des DAAD an der Ecole des Hautes Etudes en Sciences Sociales,
Paris
10/1997 – 07/2001
Studium der Geschichte, Philosophie und Wirtschaftswissenschaften in
Freiburg i.Br., Lyon und Berlin, Abschluss: Maîtrise en histoire (Université
Lyon 2)
Publikationen
Monographien
Eigensinnige Musterschüler. Ländliche Entwicklung und internationales Expertenwissen in der Türkei (1947-1980) (=Globalgeschichte, Bd. 31), Frankfurt/M (Campus) 2020).
The Body Populace. Military Statistics and Demography in Europe Before the First World War (=Transformations. Studies in the History of Science and Technology), Boston (MIT Press) 2019 (erweiterte Übersetzung von „Der Volkskörper bei der Musterung“).
Der Volkskörper bei der Musterung. Militärstatistik und Demographie in Europa vor dem Ersten Weltkrieg, Göttingen (Wallstein) 2011.
Organisation und Geschäft. Unternehmensorganisation in Deutschland und Frankreich, 1890-1914 (=Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 185), Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht) 2010.
Herausgeberschaften
Planting Seeds of Knowledge. Agriculture and Education in Rural Societies in the Twentieth Century, New York (Berghahn) 2023 (im Druck), hrsg. mit Julia Tischler.
Twentieth Century Population Thinking: A Critical Reader in Primary Sources, London (Routledge) 2015 (paperback edition 2017), hrsg mit Population Knowledge Network.
Militär und Medizin. Wissensgeschichtliche Perspektiven auf das 19. und 20. Jahrhundert. Themenheft von Gesnerus. Schweizerische Zeitschrift für Geschichte der Medizin und Naturwissenschaften, 72/2015, Nr. 2, hrsg. mit Pascal Germann.
A World of Populations. The Production, Transfer, and Application of Demographic Knowledge in the Twentieth Century in Transnational Perspective, New York (Berghahn) 2014 (paperback edition 2016), hrsg. mit Corinna Unger.
Qualität in der Historischen Forschung. Themennummer der Schweizerischen Zeitschrift für Geschichte, 62/2012, Nr. 2.
Themenheft: Bevölkerungswissenschaften im 20. Jahrhundert. Diskurse und Praktiken in transnationaler Perspektive. Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 33/2010, Nr. 3, hrsg. mit Corinna Unger.
Zukunftswissen. Prognosen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft seit 1900, Frankfurt/M (Campus) 2010, hrsg. mit Jakob Vogel.
Zeitschriftenaufsätze (peer review)
Meet again in Tahirova. German expertise in Turkish agriculture in the 20th century, in: Contemporary European History, 2022 (Vorabpublikation als open-access First View, https://doi.org/10.1017/S0960777321000618).
„Wir wünschen Ihnen mit diesem Türken guten Erfolg“. Die Migros als Akteur der ländlichen Entwicklung in der Schweiz und in der Türkei in den 1960er Jahren, in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, 70/2020, Nr. 1, 41-62.
Une affaire de marges. L’anthropométrie des recrues et la construction transnationale de la pensée eugénique, France-Allemagne 1880-1900, in: Le Mouvement Social 256/2016, Nr. 3, S. 81-99.
„In einem gewissen Sinne politisch belastet“. Bevölkerungswissenschaft und -politik zwischen Entwicklungshilfe und bundesrepublikanischer Sozialpolitik (1960er und 1970er Jahre), in: Historische Zeitschrift, 303/2016, Nr. 1, S. 98-125.
Europäische Ernährungsräume. Türkische Landwirtschaft und neue Expertenkulturen in der Nachkriegsordnung Europas, in: Themenheft: Verhandlung des Westens. Wissenseliten und Binnendifferenzen in Westeuropa nach 1945. Comparativ. Zeitschrift für Globalgeschichte und vergleichende Gesellschaftsordnung, 25/2015, Nr. 3, S. 57-74.
Mit Germann, Pascal: Wissensgeschichtliche Perspektiven auf das Militär: Eine Einleitung, in: Gesnerus. Schweizerische Zeitschrift für Geschichte der Medizin und Naturwissenschaften, 72/2015, Nr. 2, S. 205-214.
Von der Geomorphologie des Aargau zu den militärischen Pathologien Europas. Das Militär als Schnittpunkt anthropologischer Krisendiskurse, 1860-1900, in: Hartmann, Heinrich / Germann, Pascal (Hg.): Militär und Medizin. Wissensgeschichtliche Perspektiven auf das 19. und 20. Jahrhundert. Themenheft von Gesnerus. Schweizerische Zeitschrift für Geschichte der Medizin und Naturwissenschaften, 72/2015, Nr. 2, S. 269-288.
Mit Unger, Corinna: Einleitung: Zur transnationalen Wissensgeschichte der Demografie, in: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 33/2010, Nr. 3, S. 235-245.
Zwischen Projektionsfläche und Handlungsraum. Raumvorstellungen bei Bayer und PCAC, 1890 bis 1914, in: Zeitschrift für Unternehmensgeschichte 52/2007, Nr. 1, S. 59-86.
Zeitschriftenaufsätze (ohne peer review)
„No Technical Solution“. Historische Kontexte einer Moralökonomie der „Weltbevölkerung“ seit den 1950er Jahren, in: Jahrbuch für Europäische Geschichte, 15/2014, S. 31-49.
Forschungsevaluation und geisteswissenschaftliche Fachkulturen: Transparenz, Topographie oder Bewertung?, in: Empfehlungen für die Geisteswissenschaften. Bulletin der Schweizerischen Akademie für Geistes- und Sozialwissenschaften (SAGW), 2/2013, S. 23-24.
Einleitung: Qualität der historischen Forschung. Möglichkeiten und Fallstricke einer anstehenden Debatte, in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, 62/2012, Nr. 2, S. 191-203.
Une population de recrues. Sciences démographiques et statistiques militaires en Europe de 1860 à 1914, in: Les Actes du CRESAT 9/2012, S. 17-26.
Mit Lengwiler, Martin: Was ist Qualität in der historischen Forschung? Anregungen zu einer fälligen Debatte. Replik auf Monika Dommann und David Gugerli, in: traverse. Zeitschrift für Geschichte, 18/2011, Nr. 2, S. 191-203.
Tradition, Religion und Social Engineering. Dialog von Geschichts- und Islamwissenschaften bei Entwicklungsstudien – das Beispiel der Türkei, in: Bulletin der Schweizer Gesellschaft Mittlerer Osten und Islamische Kulturen, 33/2011, S. 32-35.
Verwissenschaftlichte Moderne. Bevölkerungspolitische Handlungsfelder in der Türkei als Zonen komplexen Wissenstransfers von den 1940er bis zu den 1970er Jahren. Eine Skizze, in: Archiv für Sozialgeschichte 50/2010, S. 335-352.
Aufsätze in Sammelbänden
From Rural Developers to ‘Modernizing’ Experts- Transnational Dimensions of Rural Expertise, in: Müller, Dietmar / Unger, Corinna / van de Grift, Lisbeth (Hg.): Managing the Land: Agricultural and Rural Actors in Twentieth Century Europe, Berlin (DeGruyter), 227-249.
Contested Reproductive Rights. Population Technologies and the Quest for Individualism, 1960s to 70s, in: Möckel, Benjamin / Homberg, Michael (Hg.): Human Rights and Technological Change: Conflicts and Convergences after 1945, Göttingen (Wallstein) 2022, 149-167.
Tropical Soldiers? New Definitions of Military Strength in the Colonial Context, 1884-1914, in: Harries, Patrick / Penn, Nigel / Lengwiler, Martin (Hg.): Science, Africa and Europe. Processing Information and Creating Knowledge, Berkeley 2018, 125-149.
Gezähltes Verhalten. Behavioralismus als statistisches Paradigma der Modernisierung zwischen den 1950er und 1970er Jahren in: Bilo, Nicolas / Haas, Stefan / Schneider, Michael (Hg.): Die Zählung der Welt. Kulturgeschichte der Statistik, Stuttgart 2018, S. 233-253.
Verhüten und Verbreiten. Türkische Bevölkerungspolitik und die Logistik der Kontrazeptiva, ca. 1960-1980, in: Niethammer, Lutz / Möckel, Benjamin / Satjukow, Sabine (Hg.): Wenn die Chemie stimmt… – Geschlechterbeziehungen und Geburtenplanung im Zeitalter der ‚Pille‘, Göttingen 2016, S. 351-373.
Mit Unger, Corinna: Section Family, Sexuality and Gender, in: Population Knowledge Network (Hg.): Twentieth Century Population Thinking: A Critical Reader in Primary Sources, London 2015, S. 115-141.
A Twofold Discovery of Population. Assessing Turkish Population by its ‘Knowledge, Attitudes and Practices’, 1962-1980, in: Hartmann, Heinrich / Unger, Corinna (Hg.): A World of Populations: The Production, Transfer, and Application of Demographic Knowledge in the Twentieth Century in Transnational Perspective, New York 2014, S. 178-200.
Mit Unger, Corinna: Counting, Constructing, and Controlling Populations: The History of Demography, Population Studies, and Family Planning in the Twentieth Century, in: Hartmann, Heinrich / Unger, Corinna (Hg.): A World of Populations: The Production, Transfer, and Application of Demographic Knowledge in the Twentieth Century in Transnational Perspective, New York 2014, S. 1-15.
„Gutachten“, Frietsch, Ute / Rogge, Jörg (Hg.): Über die Praxis des kulturwissenschaftlichen Arbeitens. Ein Handwörterbuch, Bielefeld 2013, S. 168-172.
„Qualitätsstandards”, Frietsch, Ute / Rogge, Jörg (Hg.): Über die Praxis des kulturwissenschaftlichen Arbeitens. Ein Handwörterbuch, Bielefeld 2013, S. 334-338.
When the Salesgirl Sniffs Perfume. Interferences of Bourgeois and Corporate Cultures in French and German Department Stores Around 1900, in: Fridenson, Patrick / Yui, Tsunehiko (Hg.): Beyond Mass Distribution. Distribution, Market and Consumers. Proceedings of Japanese and French Business History Conferences, Tokio 2012, S. 21-32.
„Eine unaufhörliche Schwächung der Wehrkraft unseres Vaterlandes“. Rekrutenstatistik und demografischer Diskurs in Europa vor dem Ersten Weltkrieg, in: Overath, Petra (Hg.): Die vergangene Zukunft Europas: kulturwissenschaftliche Analyse von demografischen Prognosen und Wissensordnungen, Köln 2011, S. 29-57.
Les paysans aux chaudières. La convergence des espaces sociaux de l’usine et du village de Salindres (vers 1890-1914), in: Stoskopf, Nicolas (Hg.): Industrie chimique et Sociétés (XIXe – XXIe siècles), Paris 2010, S. 227-238.
Soldaten in den Tropen, Soldaten aus den Tropen Neudefinitionen der Wehrkraft im kolonialen Kontext zwischen 1884 und 1914, in: Chatriot, Alain / Gosewinkel, Dieter (Hg.): Koloniale Politik und Praktiken Deutschlands und Frankreichs 1880-1962 / Politiques et pratiques coloniales dans les empires allemands 1880-1962, Stuttgart 2010, S. 223-246.
Normieren und Errechnen. Zur Korrelation von Bevölkerungsprognosen und Musterung vor 1914, in: Hartmann, Heinrich / Vogel, Jakob (Hg.): Zukunftswissen. Prognosen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft seit 1900, Frankfurt/M 2010, S. 137-152.
Mit Vogel, Jakob: Prognosen. Wissenschaftliche Praxis im öffentlichen Raum, in: Hartmann, Heinrich / Vogel, Jakob (Hg.): Zukunftswissen. Prognosen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft seit 1900, Frankfurt/M 2010, S. 7-32.
Die Produktion der Wehrbevölkerung. Musterungskommissionen als Begegnungsort von Demografie und medizinischem Expertenwissen, 1890-1914, in: Hüntelmann, Axel / Schneider, Michael C. (Hg.): Jenseits von Humboldt. Wissenschaft im Staat 1850-1990, Frankfurt/M 2010, S. 149-164.
Oskar Tietz, in: Hering, Sabine (Hg.): Jüdische Wohlfahrtspflege im Spiegel von Biographien, Band 2, Frankfurt/M 2007, S. 404-414.
Mit Beau, Anne-Sophie: Am falschen Platz? Weibliche Warenhausangestellte im Spannungsverhältnis zwischen Diskurs und Praxis in Deutschland und Frankreich um 1900, in: Wolf, Katja / Reuter, Julia (Hg.): Geschlechterleben im Wandel. Projekt und Paradox, Tübingen 2006, S. 99-117.
„…der jeden Morgen mit einem Gruß durch unsere Abteilung kam“ – Warenhäuser als familiäre Großunternehmen, in: Boch, Rudolf / Listewink, Petra / Pietsch, Eva / Schäfer, Michael (Hg.): Unternehmensgeschichte heute. Theorienangebote, Quellen, Forschungstrends, Leipzig 2005, S. 253-272.
Hippolyte Taine – Die Revolution als Krankheitsgeschichte, in: Pelzer, Erich (Hg.): Revolution und Klio. Die Hauptwerke zur Französischen Revolution, Göttingen 2004, S. 99-119.
Internetpublikationen
From Demography to Rural Development – in Turkey and Beyond, Blog-Eintrag des Orient Instituts Istanbul, 10. Dezember 2021, https://www.oiist.org/from-demography-to-the-rural-development/
Und ewig explodiert die Bevölkerungsbombe, in: Geschichte der Gegenwart, August 2017, http://geschichtedergegenwart.ch/und-ewig-explodiert-die-bevoelkerungs-bombe/.
Mit Unger, Corinna: Population: History of a Concept, in: Europäische Geschichte Online (EGO), hg. vom Leibniz-Institut für Europäische Geschichte (IEG), Mainz 2016.
Mit Unger, Corinna: Bevölkerung: Geschichte eines Konzepts, in: Europäische Geschichte Online (EGO), hg. vom Leibniz-Institut für Europäische Geschichte (IEG), Mainz, http://ieg-ego.eu/de/threads/hintergruende/natur-und-umwelt/corinna-unger-heinrich-hartmann-bevoelkerung.
Evaluierung in den Geisteswissenschaften – Möglichkeiten und Grenzen Komplikationen und Vorbehalte aus der Perspektive historischer Forschung, in: Qualitätssicherung in der Forschung, hrsg. v. d. Österreichischen Forschungsgemeinschaft, Onlinepublikation 2011, http://www.oefg.at/text/veranstaltungen/qualitaetssicherung/beitrag_hartmann.pdf.
Massnehmen am Europäer. Wissenschaft und Militarismus im Spiegel der Musterungen, etwa 1890 bis 1914. Quellenessay für das Fachportal Europäische Geschichte bei Clio.online, 2007, http://www.europa.clio-online.de/2007/Article=276.
Unternehmen organisieren im gesellschaftlichen Umfeld – deutsche und französische Erfahrungen zwischen 1890 und 1914, Discussion Paper Nr. IV 2004-505 der Arbeitsgruppe „Zivilgesellschaft: historisch-sozialwissenschaftliche Perspektiven“, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung 2005, http://skylla.wz-berlin.de/pdf/2004/iv04-505.pdf.
Zahlreiche Rezensionen und Tagungsberichte auf HSozKult, Isis, Werkstatt Geschichte, SZG, Vingtième Siècle, German History, Traverse, Archiv für Sozialgeschichte, Comparativ, Feministische Studien.
Forschung
Europäische Wissensnetzwerke und landwirtschaftliche Entwicklungskonzepte im Mittelmeerraum im 20. Jahrhundert
Heisenbergprojekt
Ziel des Forschungsprojektes ist, die Geschichte Europas im 20. Jahrhundert von seinen ländlichen Peripherien im Süden her neu zu erzählen. Kann man den europäischen Süden rund um das Mittelmeer mit den Diskussionen um einen „Globalen Süden“ in Beziehung bringen? Waren Unterentwicklung und Modernisierung auch innerhalb von Europa wirkmächtige Wahrnehmungsmuster, die als Hintergrund für die Integrationspolitik im Mittelmeerraum zu verstehen sind? Welchen Einfluss haben und hatten wissenschaftliche Diskurse auf die Konstruktion von einer mediterranen „Rückständigkeit“? Und welche Lern- und Dialogprozesse wurden und werden durch agrarwissenschaftliche Netzwerke angestoßen? Mithilfe einer Kombination wissens- und wirtschaftshistorischer Ansätze sowie transfergeschichtlicher und komparativer Perspektiven sollen solche Fragen für die südliche europäische Peripherie untersucht werden. Durch die Wissenszirkulation zwischen Mitteleuropa, dem nördlichen und dem südlichen Mittelmeerraum in Fragen der ländlichen Entwicklungspolitik wird deutlich, wie sehr nicht nur neue Praktiken der Integration etabliert, sondern auch Elemente kolonialer Projekte der mise en valeur übertragen und ältere Formen sozialer und wirtschaftlicher Verflechtungen im Mittelmeerraum fortgesetzt wurden.
Das Projekt wird von einer thematischen und einer analytischen Klammer zusammengehalten und untersucht das 20. Jahrhundert von seinen Anfängen bis in die Hochphase westeuropäischer Integrationspolitik in den 1970er Jahren.
Empirisch stützt es sich auf zwei Fallstudien, durch die die Geschichte europäischer Interventionspolitiken im Mittelmeerraum erzählt werden. Im ersten Projekt geht es um die Geschichte der ländlichen Soziologie und ihrer Auseinandersetzung mit dem Mittelmeerraum als zentralem Kristallisationspunkt einer neuen Idee von Modernisierung. Das zweite Projekt beschäftigt sich mit der Geschichte des ländlichen Beratungswesens in verschiedenen Regionen des Mittelmeerraums.
Die Soziologie der ländlichen Moderne
Seit den Zeiten des französischen Positivismus hatte der Topos mediterraner Unterentwicklung einen festen Platz im Kanon soziologischer Forschung. Der Mittelmeerraum wurde dabei zum ursprünglichen archaischen „Anderen“ des industrialisierten Nordeuropa.
Die Frage der Definition von ‚Rückständigkeit‘ wurde nicht zuletzt auch zu einer Frage der Techniken und Methoden von deren Untersuchung. Im frühen 20. Jahrhundert erlangte die französische Schule der réforme sociale in dieser Beziehung besondere Bedeutung. Die Beobachtung familiärer Clanstrukturen in den Gesellschaften und Gemeinschaften rund um das Mittelmeer entwickelte sich zu einem methodischen Angelpunkt. Hierbei kamen die infrastrukturelle Erreichbarkeit entlegener Regionen und die Fantasien technologischer Machbarkeit in der Erfassung sozialer Probleme durch statistische Methoden zusammen. Dabei waren die Wissenschaftler (und ab der Zwischenkriegszeit zunehmend auch die Wissenschaftlerinnen) ihrem Selbstverständnis nach nie nur neutrale Beobachtende. Stattdessen meinten sie durch ihre Untersuchungen abgelegene Regionen für die Außenwelt zu öffnen und diese mit größeren sozialen Problemen in Verbindung zu setzen.
Die Frage der Definition von ‚Rückständigkeit‘ wurde nicht zuletzt auch zu einer Frage der Techniken und Methoden von deren Untersuchung. Im frühen 20. Jahrhundert erlangte die französische Schule der réforme sociale in dieser Beziehung besondere Bedeutung. Die Beobachtung familiärer Clanstrukturen in den Gesellschaften und Gemeinschaften rund um das Mittelmeer entwickelte sich zu einem methodischen Angelpunkt. Hierbei kamen die infrastrukturelle Erreichbarkeit entlegener Regionen und die Fantasien technologischer Machbarkeit in der Erfassung sozialer Probleme durch statistische Methoden zusammen. Dabei waren die Wissenschaftler (und ab der Zwischenkriegszeit zunehmend auch die Wissenschaftlerinnen) ihrem Selbstverständnis nach nie nur neutrale Beobachtende. Stattdessen meinten sie durch ihre Untersuchungen abgelegene Regionen für die Außenwelt zu öffnen und diese mit größeren sozialen Problemen in Verbindung zu setzen.
Diese Schule der ingénerie sociale hatten eine breite Wirkung auf die entstehende Sozialwissenschaften rund um das Mittelmeer. Sie definierten Untersuchungsmethoden und -agenden und trugen zu einer neuen Dorfsoziologie bei, die sich als Motor gesellschaftlichen Wandels verstand.
Auch in der Nachkriegszeit blieb das Mittelmeer ein beliebtes Betätigungsfeld der Sozialwissenschaften. In den ersten Nachkriegsjahrzehnten trat die Ethnologie das Erbe des braudelschen Mittelmeertopos an und untersuchte das mediterrane Becken als geschlossenen kulturellen Raum.
Zugleich übernahm diese Ethnologie einen guten Teil des kolonialen strukturfunktionalistischen Erbes. Im Vordergrund standen dabei von Anfang an die Fragen der Erfassung kleiner communities, dörflicher und familiärer Gemeinschaften.
Das Projekt fragt nach den Kontinuitäten in konzeptioneller, methodischer und personeller Hinsicht zwischen kolonialer Ethnologie und mediterraner Sozialwissenschaft und ihrer Wirkmächtigkeit in Hinblick auf die Diskurse mediterraner Unterentwicklung.
Beratung als transnationale Kulturtechnik im ländlichen Raum
Die Politiken europäischer ländlicher Modernisierung waren eng verwoben mit den Anliegen einer „Inneren Kolonisierung“ – einer Erweiterung, Erschließung und Kontrolle bislang rückständiger ländlicher Gebiete im eigenen Land. In den ostdeutschen Gebieten wurden etwa im Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert zahlreiche solcher Projekte angestoßen, die in den landwirtschaftlichen Versuchs- und Ausbildungsstationen (als erstes etwa im sächsischen Möckern 1851) ihren sichtbarsten Ausdruck fanden. Auch die landwirtschaftliche Genossenschaftsbewegung stand im frühen 20. Jahrhundert in dieser Tradition.
Sowohl im Rahmen einer kryptokolonialen Wirtschaftspolitik der Zwischenkriegszeit, wie auch neuer Produktivitätsprogramme in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg wurden solche Institutionen ländlicher Modernisierung auch im Mittelmeerraum etabliert. In der Türkei oder in Tunesien entstanden landwirtschaftliche Musterbetriebe, in anderen Ländern wurden insbesondere Programme zum Aufbau von ländlichen Genossenschaften etabliert und durch Berater aus mitteleuropäischen Ländern unterstützt. Auf deutscher Seite engagierten sich auch zahlreiche ehemalige Exilwissenschaftler, die aus politischen Gründen von den Nationalsozialisten verfolgt worden waren, in solchen Projekten.
Die Musterbetriebe sollten dabei nicht nur technologische Innovationen und die aus den USA oder Europa exportierten Landmaschinen verbreiten, sondern auch Unternehmergeiste oder Grundlagen für landwirtschaftliche Buchhaltungstechniken verbreiten.
Die Musterbetriebe sollten dabei nicht nur technologische Innovationen und die aus den USA oder Europa exportierten Landmaschinen verbreiten, sondern auch Unternehmergeiste oder Grundlagen für landwirtschaftliche Buchhaltungstechniken verbreiten.
Doch zunehmend waren sie auch als Motoren der Veränderung regionaler und nationaler landwirtschaftlicher Praktiken gedacht: neue Züchtungsprojekte hatten nicht nur Sortenverbesserungen zum Ziel, sondern es ging auch darum, durch Züchtung neuer Rinder- oder Schafsrassen einen neuen wirtschaftlichen Schwerpunkt für die örtliche Landwirtschaft zu erreichen.
Solche Projekte machte die westlichen „Experten“ allerdings auch abhängig von der Zusammenarbeit mit der örtlichen Bevölkerung und deren Wissen. Gerade diese dialogische Dimension des gegenseitigen Lernens und die sozialen Bedingungen von Wissensflüssen sollen in diesem Teilprojekt einen wichtigen Raum einnehmen.
Letzte Änderung: 18. März 2024