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Forschung
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Geschichte und Kunstgeschichte der Sowjetunion
Architektur- und Stadtgeschichte im 20. und 21. Jh.
Bildpropaganda – Bildwelten im Sozialismus
Körpergeschichte
Aktuelle Forschungsprojekte
Das „Rote Stadion“. Zu einer Körpergeschichte der Sowjetunion (Habilitationsprojekt)
Das 1956 eröffnete Sportstadion im zentralen Moskauer Bezirk Lužniki war das erste große Bauprojekt des Tauwetters in der Sowjetunion. Die Anlage markierte den Eintritt der Sowjetunion in die internationale Sportwelt, der mit den Aufnahmen in den internationalen Fußballverband (FIFA) 1946 und der Teilnahme an der Olympischen Spielen 1952 schrittweise vollzogen worden war. Für die Fußballweltmeisterschaft 2018 wurde das „Lenin-Stadion“ zum „Olympiastadion“ in großem Umfang saniert und modernisiert, so dass es bis heute das internationale Sportzentrum Russlands bildet.
In der Planung des damaligen „Lenin-Stadion“ kreuzten sich die gesellschaftlich-politischen Ansprüche, die die Nachkriegsgesellschaft an eine moderne Stadt stellte. Zum einen waren mit dem Großprojekt Hoffnungen auf eine Neugestaltung des Stadtraums im Sinne einer lebenswerten Umgebung und eine gesellschaftliche ‚Heilung‘ nach dem Krieg verbunden. Zum anderen ging es in Lužniki um eine moderne sozialistische Repräsentationsarchitektur, die vom Monumentalstil der Stalinzeit abrückte und sich gleichwohl von der „kapitalistischen“ Konsumgesellschaft abgrenzte.
Die Studie nimmt die Baugeschichte des Lenin-Stadions in den Blick, an der sich Repräsentationsbedürfnisse und Gesellschaftsideale zum Teil trafen, zum Teil auseinanderdrifteten. Die Untersuchung beginnt dabei in den 1920er Jahren, als die Planungen für ein internationales „Rotes Stadion“ als Ort des sozialistischen Aufbaus die Stadtplanung bestimmten. Zum anderen versteht sie sich auch als ein Beitrag zu einer Körpergeschichte der Sowjetunion: Denn die Planer verhandelten physiologische und ergonomische Ansätze, die gesellschaftlichen Debatten oft vorgängig waren oder diesen mitunter sogar widersprachen. Darüber hinaus war und ist Lužniki auch ein erlebter Ort, an dem Leistungsansprüche gestellt und Freizeiterfahrungen gemacht wurden.
Die Atriumhäuser von Werner Hebebrand in Hamburg-Groß Flottbek (1964-67). Suburbanisierung und Siedlungsbau in Hamburgs Westen.
(Publikationsprojekt im Rahmen der Reihe „Hamburger Bauhefte“, hg. vom Schaff-Verlag, Hamburg)
Die Studie nimmt eine in den 1960er Jahren entstandene Wohnsiedlung im gehobenen Stadtteil Groß Flottbek in den Hamburger Elbvororten in den Blick. Niemand anderer als der ehemalige Oberbaudirektor Werner Hebebrand (1899-1966) hatte dort als ein Spätwerk eine Mustersiedlung aus Atriumhäusern projektiert. Hebebrand zeichnete in den frühen 1960er Jahren maßgeblich für den Suburbanisierungsprozess in Hamburg und dem daran anschließenden Städtebau im Eigentum verantwortlich. In Groß Flottbek orientierte er sich am amerikanischen Bungalow, der von internationalen Stararchitekten, wie Frank Lloyd Wright oder Richard Neutra, zum Prototyp einer modernen Wohnform entwickelt worden war. Das Bauprojekt schloss zu aktuellen städtebaulichen Debatte um die Suburbanisierung auf, die in den 1960er Jahren in der Kritik an einer unkontrollierten Expansion der Stadt ins Umland und dem Einzelhaus als solchem kulminiert waren: Der Psychologe Alexander Mitscherlich prangerte 1965 die „Unwirtlichkeit“ suburbaner Ansiedlungen an, die das Sozialwesen Mensch in einer strukturlosen Umgebung verkümmern ließen. Mit der Mustersiedlung am Hemmingstedter Weg sollte diese „Zivilisationskatastrophe“ abgewendet werden, so die programmatische Erläuterung des Bauträgers.
Die Fallstudie zu den Atriumhäusern in Groß Flottbek gilt damit einerseits der Suburbanisierung durch den Bau von Einzelhäusern. Andererseits ergibt sich ein Einblick in das Wirken und Schaffen von Werner Hebebrand, zu dem bis dato keine Einzeluntersuchung vorliegt.
Sozialistischer Realismus transnational
(Perspektiven in Forschung und Lehre)
Ausgehend von aktuellen Forschungstendenzen möchte ich perspektivisch in meiner Forschung und Lehre die internationalen Ausformungen und Wirkungen des Sozrealismus in den Blick nehmen: Der Sozialistische Realismus wird in der Forschung zunehmend als transnationales Phänomen in den Blick genommen. Er gilt weniger als ein anachronistischer Kunstdiskurs, der mit dem Ende der Sowjetunion auf dem Sperrmüll der Geschichte landete, denn als globale Kunstpraxis. 2010 zum Beispiel wurde in der Hauptstadt Senegals Dakar die Monumentalskulptur „Monument de la Renaissance africaine“ aufgestellt, gefertigt wurde die Arbeit in Nordkorea – die dort ansässige Manufaktur „Mansudae Oversea Projects“ exportiert bis heute Skulpturen und Panoramen vornehmlich nach Asien, den Mittleren Osten und nach Afrika (Siegert).
Unstrittig ist, dass die Kunstdoktrin des Sozialistischen Realismus in der Sowjetunion unter hohem und gewalttätigem Druck zu ideologischer Anpassung entstand. Dennoch, das betonen Auto/innen heute, war der Sozrealismus kein statisches oder retardiertes System – er war auf eine dezidierte Wahrnehmungstheorie gegründet und in seinen Diskursen und Praktiken von Wandel und inneren Konflikten geprägt (Bown, Reid, Johnson, Dobrenko). Auch haben historische Studien ergeben, dass sich die Künste keineswegs in einer propagandistischen Scheinwelt der „Traumfabrik Kommunismus“ (Weinhart/Groys) erschöpften, die sozialistischen Bildwelten vermochten ihre Betrachter emotional zu binden, generierten Zugehörigkeit und ein gewisses Überlegenheitsgefühl – einen „superiority complex“, wie es in der Forschung heißt (Babiracki/Zimmer). Neuere Untersuchungen haben diese Wandlungsfähigkeit des Sozrealismus betont und darüber hinaus das Augenmerk auf seine transnationalen Verflechtungen besonders nach 1945 gerichtet: Einerseits werden die heterogenen Umsetzungen in den sogenannten Satellitenstaaten und im Jugoslawien Titos (Damus, Zimmermann, Romijn u.a.) oder die Fortsetzungen in den Volksrepubliken und im sozialistischen Afrika betrachtet (Portal, Nash), andererseits wird verstärkt die Auseinandersetzung im kommunistischen Europa und den Kreisen der „New Left“ aufgearbeitet. Während die einen dabei die Eigenständigkeit nationaler Kunstentwicklungen betonen, sehen andere den Sozrealismus als künstlerischen “Globalizer“ im Zeichen eines internationalen Sozialismus (Bazin/Piotrowski). Die Metapher vom Eisernen Vorhang ist dem Bild einer durchlässigen Membran gewichen (Péteri).
Unter diesen Voraussetzungen erscheinen die Internationale Kunstpolitik und Kunstereignisse im Systemwettbewerb und Kalten Krieg als ein lohnendes Untersuchungsfeld für Forschung und Lehre. Eine Perspektive meiner eigenen Forschung gilt außerdem Drehscheiben der sozrealistischen Kunstausbildung wie zum Beispiel der „Akademie der Schönen Künste“ („Repin-Institut“), die über studentische Austauschprogramme in die sozialistischen „Bruderstaaten“ und darüber hinaus bis heute ausstrahlt.
Vita
Seit 1. Juli 2019 Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Helmut-Schmidt-Universität
2002-2016 Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Hamburg, der Phillipps-Universität Marburg und der Helmut-Schmidt-Universität
Tätigkeiten:
Geschäftsführung des „51. Deutschen Historikertages“ an der Universität Hamburg (2014-2016)
Lehre, Konferenzen und Publikationen zu Kunst und Medien im Sozialismus, u.a. zu Heldenkulten und Bildpropaganda
DFG-Projekt zum „Sport und Körperkultur in der Sowjetunion“ (2007-2010)
2014 Promotion im Fach Kunstgeschichte
1998-2002 Freie Mitarbeiterin der Hamburger Kunsthalle und des Altonaer Museums Hamburg/Ausstellungen zur Kunst- und Kulturgeschichte des 19. und 20. Jh.
1989-1998 Studium der Kunstgeschichte und Ostslavistik, DAAD-Studienaufenthalt an der Akademie der Schönen Künste in St. Petersburg
Publikationen
Publikationen (Auswahl)
„Ästhetiken des Sozialismus/Socialist Aesthetics. Populäre Bildmedien im späten Sozialismus“. Publikation dt.-engl. zur Bildpropaganda im Sozialismus, hg. gemeinsam mit Monica Rüthers. Köln u.a. 2018.
„Vom Roten Stadion zum globalen Wettbewerb“, Beitrag in „Russki Futbol“ Publikation der Bundeszentrale für Politische Bildung 2018 zur WM in Russland.
„Helden am Ende. Erschöpfungszustände in der Kunst des Sozialismus“. Publikation zu Heldenkulten im östlichen Europa, hg. gemeinsam mit Monica Rüthers, Frankfurt/M. 2014.
„Euphoria and Exhaustion. Modern Sport in Soviet Culture and Society“. Publikation engl. zur Sportpolitik in der Sowjetunion, hg. gemeinsam mit Nikolaus Katzer u. a.. Frankfurt/M. 2010.
Lehre
Lehrangebot
FT 2020 Hauptseminar BA „Traumascapes. Der Wiederaufbau zerstörter Städte nach dem II. WK in Osteuropa“
FT 2020 ISA-Kurs „Ideologie und Unterhaltung. Sowjetischer Film“
WT 2020 Proseminar „Das sowjetische Usbekistan“
HT 2019 Hauptseminar „Bildpropaganda im Sozialismus. Von der Revolution zum Führerkult“
FT 2019 Lektürekurs „Konzepte und Theorien der Geschichtswissenschaft“ (mit Klausur)
Letzte Änderung: 21. Januar 2020