Die Helmut-Schmidt-Universität ist an fünf neuen Forschungsvorhaben und zusätzlich an einem Zukunftscluster beteiligt, die mit Mitteln der Landesforschungsförderung 2020 der Freien und Hansestadt Hamburg finanziert werden. Insgesamt fließen 35 Millionen Euro in Hamburgs Wissenschaft. Das gab die Behörde für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung heute bekannt.
In der aktuellen Runde der Landesforschungsförderung hat die Behörde für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung (BWFG) 18 neue Forschungsvorhaben bewilligt. Jedes Projekt erhält eine Förderung von maximal 1,8 Mio. Euro. Das Gesamtfördervolumen beträgt rund 23,3 Mio. Euro bei einer Laufzeit von bis zu 3,5 Jahren. Zusätzlich werden im Rahmen der Landesforschungsförderung vier neue Zukunftscluster – sogenannte „HamburgX-Projekte“ – mit insgesamt 12 Mio. Euro bis 2023 gefördert. Insgesamt erhält Hamburgs Wissenschaft somit 35,3 Mio. Euro für 22 Forschungsvorhaben.
Universitätspräsident Prof. Dr. Klaus Beckmann über die erfolgreiche Bewerbung der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der HSU: „Es ist ein großer komparativer Nachteil für unsere Universität, dass wir als Hamburger Universität in Trägerschaft des Bundes für die Fördermittel des Landes nicht allein antragsberechtigt sind. Umso mehr freue ich mich über die vielen erfolgreichen Bewerbungen der Kolleginnen und Kollegen der HSU. Es kennzeichnet die Forschungsstärke unserer Universität, mit der wir uns nicht hinter anderen verstecken müssen.“
Beteiligungen an kooperativen Forschungsverbünden und Graduiertenkollegs
Ausgeschrieben waren in der aktuellen Förderrunde zum einen die Förderlinie „Kooperative Forschungsverbünde und Graduiertenkollegs“. Dabei werden Verbünde der staatlichen Hamburger Hochschulen und deren Partnerinnen und Partner, die die Voraussetzung für die Beantragung von gemeinsamen Forschungsvorhaben auf überregionaler und internationaler Ebene erfüllen, gezielt gefördert.
Die Helmut-Schmidt-Universität ist mit Univ.-Prof. Dr. Yvonne Nestoriuc (Klinische Psychologie) am Projekt „Veränderungsmechanismen in Dynamischen Sozialen Interaktionen“ beteiligt.
Hier wird erforscht, wie sich menschliche Interaktion und Kommunikation einerseits und Persönlichkeitsentwicklung andererseits gegenseitig beeinflussen. Diese wechselseitigen Einflüsse beruhen auf komplexen Verhaltensdynamiken, in denen vor allem subtile, automatisch gesteuerte Signale eine große Rolle spielen. Um die grundlegenden Mechanismen psychologischer Veränderungsprozesse zu verstehen, müssen daher sowohl genetische Faktoren, Temperament und Persönlichkeit, als auch soziale Interaktionsdynamiken in ihren gegenseitigen Wechselbeziehungen untersucht werden. In dem interdisziplinären Forschungsverbund geschieht dies, tun wir dies, indem innovative Experimental- und Analysetechniken aus Psychologie und Informatik integriert werden. Dabei werden die Gemeinsamkeiten und Besonderheiten sozialen Interaktionsverhaltens zwischen Babys und ihren Eltern, in Teenagergruppen, innerhalb von Teams im Arbeitsleben, zwischen Patient*innen und Therapeut*innen und nicht zuletzt zwischen Menschen und Avataren in virtuellen Realitäten beobachtet.
Univ.-Prof. Dr. Burkhard Meißner (Alte Geschichte) ist beteiligt am Forschungsverbund „Gewalt-Zeiten. Temporalitäten von Gewaltunternehmungen“.
Blitzkrieg, Winterruhe, Langeweile im Schützengraben: Wie prägte Zeit Kriege und andere kollektive Gewaltunternehmungen von der Antike bis in die Gegenwart? In fünf Teilprojekten untersuchen Historikerinnen und Historiker diese bislang kaum reflektierte temporale Dimension von Gewalt. Zermürbendes Warten zeichnete Belagerungen im Falle von Leningrad 1941 bis 1944 oder Rhodos 305 bis 304 vor Christus für Angreifer wie Verteidiger aus. Feiertage wurde häufig von Tätern in antisemitischen Pogromen wie jüngst in Halle für Anschläge genutzt. Das Morgengrauen bevorzugten nordamerikanische Huronen um 1650 für Überfälle auf Siedler. Ballungszeiten, also Phasen verdichteter und eruptiver Gewalt, spielten über Jahrhunderte bei Eroberungen von Städten, zu See und zu Land, eine entscheidende Rolle, beispielsweise nach dem Durchbruch von Befestigungen und dem Einfluten der Truppen in das Innere. In all diesen Gewaltunternehmungen haben die historische Akteure, Täter wie Opfer, Zeit geplant, sie be- oder entschleunigt, in spezifischen Zeithorizonten gedacht und agiert. Die Geschichtswissenschaft wiederum nahm Erfahrungen von Gewalt als Indikator für Geschichtsbrüche, für neue Zeitalter, wie den Ersten Weltkrieg als Beginn des 20. Jahrhunderts. Die Bedeutung von Zeitlichkeiten für Gewaltereignisse zu analysieren und damit zugleich Epocheneinteilungen zu hinterfragen, ist das Ziel dieser Forschungsgruppe.
Univ.-Prof. Dr. Katharina Liebsch (Soziologie unter besonderer Berücksichtigung der Mikrosoziologie) ist beteiligt am Forschungsverbund „Sorge-Transformationen: Interdisziplinäre Carearbeitsforschung“.
Unter dem Begriff „Care-Krise“ werden gesellschaftlich relevante Probleme im Zusammenhang mit einer grundlegenden Transformation von Carearbeit diskutiert. Care- oder Sorgearbeit umfasst dabei unbezahlte wie bezahlte Tätigkeiten unter anderem im Bereich von Pflege, Betreuung und Erziehung. Die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stellen sich die Frage, welche neuen Verknüpfungen von bezahlter und unbezahlter, von beruflicher, semi-professioneller und Laienarbeit durch veränderte Geschlechterverhältnisse und den demographischen, sozialstaatlichen und ökonomischen Wandel (wie Globalisierung) entstehen? Ziel des Forschungsverbundes ist die Analyse von Carearbeit mit Blick auf diese gesellschaftlichen Wandlungs- und Krisenprozesse: Welche Konflikte und sozialen Ungleichheiten, aber auch neuen Solidaritäten und Potenziale für sozial nachhaltige Arrangements gehen damit einher?
Jun.-Prof. Dr. Kathrin Welker (Mathematik im Bauingenieurwesen) ist Partnerin im Verbund „Simulationsbasierte Entwurfsoptimierung dynamischer Systeme unter Unsicherheiten“.
Ziel des Vorhabens ist die Entwicklung innovativer Simulationsverfahren zur robusten Optimierung komplexer Bauteile. Durch die Verschmelzung von Methoden der Angewandten Mathematik und des Theoretischen Maschinenbaus werden hierzu Modelle entwickelt, die dynamische Betriebsbedingungen und unsichere Fertigungsprozesse bei der Optimierung erfassen. Insbesondere für wartungsintensive und wartungsfreie Produkte aus dem Hamburger Luftfahrt- und Medizintechnikumfeld ist ein robustes Design entscheidend. Aufgrund von drastisch reduzierten Zeit- und Finanzbudgets für die Entwicklung neuer Produkte wird die computergestützte Optimierung virtueller Produktprototypen immer bedeutender. Je unabhängiger (robuster) die Leistungsmerkmale eines optimierten Produktdesigns von späteren fertigungs- oder betriebsbedingten Schwankungen sind, desto wirtschaftlicher lässt sich das Produkt herstellen und betreiben.
Univ.-Prof. Dr. Sandra Destradi (Internationale Beziehungen und Regional Governance) und Univ.-Prof. Dr. Anna Geis (Internationale Sicherheitspolitik und Konfliktforschung) sind am fächerübergreifenden Graduiertenkolleg „Democratising Security in Turbulent Times” beteiligt.
Das Graduiertenkolleg fragt nicht nur, welche Konflikte und Widersprüche sich zwischen aktuellen sicherheitspolitischen Zielen und Prinzipien des demokratischen Regierens ergeben. Es untersucht auch, ob innovative politische Prozesse zur Demokratisierung von Sicherheit führen können. Die Forschung des Graduiertenkollegs trägt dazu bei, die Möglichkeiten und Grenzen demokratischer Sicherheitspolitik in Zeiten fundamentaler Veränderungen näher zu bestimmen. Wir leben in turbulenten Zeiten: Überall in der Welt werden etablierte Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens hinterfragt, demokratische Institutionen verlieren an Akzeptanz. Zunehmende gesellschaftliche Polarisierungen, die rasante Entwicklung der Digitalisierung und neuartige globale Probleme stellen auch etablierte Formen innerer und äußerer Sicherheitspolitik in Demokratien vor fundamentale Herausforderungen. Wie kann Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger demokratischer Gesellschaften unter diesen veränderten Bedingungen gestaltet werden und wie verändert sich das Verhältnis von Demokratie und Sicherheit dabei?
HamburgX-Projekte
Zusätzlich zur Förderlinie „Kooperative Forschungsverbünde und Graduiertenkollegs“ werden im Rahmen der Landesforschungsförderung vier Zukunftscluster – sogenannte HamburgX-Projekte – gefördert. Dabei handelt es sich um kooperativ angelegte Großforschungsprojekte, die ein breites Spektrum von Einrichtungen und Partnerinnen und Partnern involvieren und unter anderem auch Anknüpfungspunkte an die lokale Wirtschaft und Industrie bieten
Die Helmut-Schmidt-Universität ist mit neun Professuren am Projekt „Innovative luftgestützte urbane Mobilität (i-LUM)“ beteiligt und stellt damit den Großteil der am Projekt beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Involviert sind Univ.-Prof. Dr.-Ing. Stefan Dickmann (Grundlagen der Elektrotechnik), Univ.-Prof. Dr.-Ing. Alexander Fay (Automatisierungstechnik, stellv. Sprecher des Clusters), Dr. Daniel Höche (Computational Material Design), Univ.-Prof. Dr.-Ing. Klaus F. Hoffmann (Leistungselektronik), Univ.-Prof. Dr.-Ing. Christian Kreischer (Elektrische Maschinen und Antriebssysteme), Univ.-Prof. Dr. Thomas Jacobsen (Biologische Psychologie), Univ. Prof. Dr. Wenzel Matiaske (Personal und Arbeit), Prof. Dr. Margarete Schuler-Harms (Öffentliches Recht, Wirtschafts- und Umweltrecht) und Univ.-Prof. Dr.-Ing. Detlef Schulz (Elektrische Energiesysteme).
Die Zielsetzung des i-LUM Verbundvorhabens besteht in der Erarbeitung und ganzheitlichen Bewertung von realisierbaren und innovativen Konzepten zur luftgestützten urbanen Mobilität. Am Beispiel von Zukunftsszenarien (2040/2050) der Metropolregion Hamburg werden regionale Fachkompetenzen aus den Bereichen Technik, Informatik, Stadtplanung, Logistik, Gesellschaft und Recht zusammengeführt, um multidisziplinäre Fragestellungen zusammenhängend zu untersuchen. Aus einer stadtplanerischen Perspektive wird das urbane Verkehrssystem der Zukunft modelliert, um die notwendigen Voraussetzungen für eine Integrierbarkeit des Verkehrsmittels „Flugtaxi“ zu identifizieren. Der erwartete Nutzen für die Stadt, ihre Einwohnerinnen und Einwohner und ihre Besucherinnen und Besucher wird quantifiziert und gegen die Kosten abgewogen. Es ist ein Projekt der systemtechnischen Grundlagenforschung.
Ansprechpartner für weitere Fragen
Pressestelle, Dietmar Strey, Tel. 040 6541-2774, E-Mail [email protected]
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