Finnischer Botschafter im Gespräch: Finnland als Modell umfassender Gesamtverteidigung?

HSU

8. März 2024

Mit der russischen Aggression gegen die Ukraine und dem damit verbundenen NATO-Beitritt wurde Finnland zum internationalen Beispiel einer umfassenden Gesamtverteidigung. Bei einer Diskussionsveranstaltung an der HSU/UniBw H sprach der finnische Botschafter in Berlin, S. E. Kai Sauer, über die neue sicherheits- und verteidigungspolitische Orientierung Finnlands.

Ein Gruppenfoto von Prof. Michael Jonas, Präsident Prof. Klaus Beckmann, S. E. Botschafter Kai Sauer, Honorarkonsul von Finnland in Hamburg Hans-Christoph Stadel, Klaus von Lepel von der Finnisch-Deutschen Handelsgilde Hamburg, Mikko Fritze, Leiter des Finnland-Instituts in Berlin
Initiatoren des Austauschs zur sicherheits- und verteidigungspolitische Orientierung Finnlands (v.l.n.r.): Prof. Michael Jonas, Präsident Prof. Klaus Beckmann, S. E. Botschafter Kai Sauer, Honorarkonsul von Finnland in Hamburg Hans-Christoph Stadel, Klaus von Lepel von der Finnisch-Deutschen Handelsgilde Hamburg, Mikko Fritze, Leiter des Finnland-Instituts in Berlin.

Auf Einladung des Präsidenten Prof. Klaus Beckmann sprach der Botschafter Finnlands in Deutschland, S. E. Kai Sauer, am Montag, 4. März 2024, im Thomas-Ellwein-Saal vor über hundert Teilnehmerinnen und Teilnehmern über die neue sicherheits- und verteidigungspolitische Orientierung Finnlands.

Mit Bezug zum mythischen finnischen „Sisu“ stellte der Präsident Beckmann bei der Begrüßung fest, dass Deutschland „viel von Finnland lernen“ könne. In Finnland gäbe es eine hohe sicherheitspolitische Sensibilität und einen breiten Konsens, das eigene Land verteidigen zu wollen – während sich in der deutschen Debatte bisher eher Fragen als Antworten fänden. Eine Erwartung an den Abend war daher auch: Aus den Schilderungen des finnischen Botschafters Impulse für die deutsche Debatte mitzunehmen.

Um die Entwicklung finnischer Sicherheitsorientierungen und insbesondere den NATO-Beitritt Finnlands besser zu verstehen, zeichnete Prof. Michael Jonas (Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften, GIDS) zunächst die historische Entwicklung nach und verdeutlichte dabei insbesondere die Kontinuität der systematischen militärischen Planung Finnlands gegen die benachbarte Expansionsmacht Russland bei gleichzeitiger Kompromissbereitschaft im politischen Raum. „Die finnische Staatlichkeit ist in mehrfacher Hinsicht mit Russland verwoben“, so Prof. Jonas.

Botschafter Sauer wies nachdrücklich darauf hin, dass Russland der positiven Entwicklung im Ostseeraum ein Ende gesetzt hat – ein Wendepunkt in der gemeinsamen Sicherheitspolitik sämtlicher Anrainer wie des Nordens insgesamt. Für Finnland folge daraus im eigenen Interesse die Pflicht, die Ukraine so lange wie nötig darin zu unterstützen, den Aggressor abzuwehren – aber angesichts der zunehmenden Herausforderungen auch und gerade die eigene Sicherheit zu maximieren. „Dafür ist das Land durch seine strategische Kultur der Gesamtsicherheit, wie sie sich u.a. in der durchgängig beibehaltenen Wehrpflicht spiegelt, gut aufgestellt“, so der Botschafter.

Die regen Nachfragen aus dem Publikum machten deutlich, auf welch großes Interesse Finnland und die Sicherheits- und Verteidigungspolitik des kleinen, häufig als randständig wahrgenommenen Landes in der deutschen Öffentlichkeit und nicht zuletzt innerhalb der Bundeswehr stößt. Bei aller Unterschiedlichkeit, darin waren sich die Vortragenden in der Diskussion einig, lässt sich aus dem finnischen Beispiel eine Reihe von Anleihen und Anregungen für den deutschen Sicherheitsdiskurs beziehen.

Ausgerichtet wurde die Veranstaltung seitens der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg in Kooperation mit der Finnisch-Deutschen Handelsgilde Hamburg, dem Honorarkonsul von Finnland in Hamburg, Hans-Christoph Stadel, dem Finnland-Institut in Berlin und dem Forum für Nordeuropäische Politik (FOR:N). Mit diesem Format nahmen die Initiatoren, Prof. Jonas und Klaus von Lepel, einen gewachsenen Bezug der HSU zu Nordeuropa und insbesondere Finnland erneut auf, der sich in der Vergangenheit in der wiederholten Ausrichtung der finnisch-deutschen Historikerkonferenz und in einer Reihe von Veranstaltungen und Veröffentlichungen zur nordeuropäischen Geschichte und Gegenwart gezeigt hat.