Forschungsidee
Ziel des Projektes ist es, alltagsmathematische/numerale Praktiken der Kriegs- und Nachkriegsgeneration explorativ zu erforschen. Es wird vermutet, dass die numeralen Praktiken dieser Generationen auf besondere Weise kompetenzsichernd und –erweiternd sind.
Denn bevölkerungsrepräsentative Kompetenzstudien (PIAAC) zeigen, dass deutsche Erwachsene im internationalen Vergleich – anders als im Lesen – im Bereich Numeralität bessere Ergebnisse erzielen. Es wird aber auch nachgewiesen, dass sich zeitgleich diese Kompetenzen bzw. das Verständnis für Zahlen und Rechnen verschlechtert. Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass die über 64Jährigen – die höhere mathematische Kompetenzen besitzen als jüngere Generationen – in diesen Studien nicht mehr erfasst werden. Aus diesem Grund stehen im Fokus des Projektes die Altersjahrgänge ab 65 Jahre und älter (heutige 65jährige bis 80jährige/Jahrgänge 1937 bis 1952).
Dementsprechend stellen wir uns folgende Forschungsfragen:
- Was ist Numeralität als soziale Praxis?
- Welche gesellschaftliche Bedeutung haben/hatten numerale Praktiken (im Wandel der Zeit)?
- Wie waren und sind alltagsmathematische Praktiken der Kriegs- und Nachkriegsgeneration?
- Inwieweit sind sie kompetenzerhaltend oder kompetenzerweiternd?
- Welche berufliche Bedeutung hatten mathematische Kenntnisse für die Arbeiterschaft?
- Welchen Stellenwert hatten numerale Praktiken für den sozialen Aufstieg?
Theoretisch erfolgt eine Erweiterung des Ansatzes der New Literacy Studies bzw. des Ansatzes, Literalität als soziale Praxis zu betrachten. Literalität als soziale Praxis nimmt die literalen Praktiken im Kontext ihrer vielfältigen alltäglichen Anwendungen in den Blick. Im Projekt wird dieser theoretische Ansatz, der vom kontextuellen Handeln der Subjekte ausgeht, auf den Umgang und den Gebrauch von Alltagsmathematik in der Lebens- und Arbeitswelt bezogen. Darüber hinaus wird die historische Spezifizität numeraler Praktiken herausgestellt.
Das Projekt ist Teil des Hamburger Numeracy Projekts. Ihm gehören insgesamt sechs Teilprojekte an. Der Projektverbund „Alltagsmathematik als Teil der Grundbildung Erwachsener“ betreibt Grundlagenforschung im Bereich Grundbildung für Erwachsene. Im Rahmen der Grundbildungsforschung wurden bislang Numeralität und Alltagsmathematik vernachlässigt. Die Ergebnisse des Projektes „Numeralität als soziale Praxis im Wandel der Zeit“ liefern sowohl Anknüpfungspunkte für weitere Forschungen in diesem Bereich und Orientierungen für die methodisch-didaktische Gestaltung von entsprechenden Grundbildungsangeboten als auch Hinweise für die Professionalisierung des pädagogischen Personals. Der Projektverbund zielt auf eine thematische Anknüpfung und Verschränkung der einzelnen Teilprojekte ab. Es sind gegenseitige Unterstützungen bei der Generierung von Hypothesen und Spiegelungen der Endergebnisse geplant.
Team/Kontakt
Prof. Dr. Christine Zeuner Telefon: +49 – 40 – 6541 – 2796
(Leitung) E-Mail: zeuner(at)hsu-hh.de
Dr. phil. Antje Pabst Telefon: +49 – 40 – 6541 – 3908
(Projektkoordination + wiss. Bearbeitung) E-Mail: antje.pabst(at)hsu-hh.de
Dr. phil. Melanie Benz-Gydat Telefon: +49 – 40 – 6541 – 3392
(wissen. Bearbeitung) E-Mail: benz-gydat(at)hsu-hh.de
Laufzeit und Drittmittelgeber
Unsere Kooperationspartner im Forschungsverbund
Link zur Verbundseite:
- Universität Hamburg,Fakultät für Erziehungswissenschaften, Professur für Lebenslanges Lernen, Prof. Dr. Anke Grotlüschen
- UNESCO Institut for Lifelong Learning, Margarete Sachs-Israel
- Hochschule für angewandte Wissenschaften Hamburg, Fakultät Wirtschaft und Soziales, Professur für Soziale Arbeit, Prof. Dr. Harald Ansen, Teilprojekt: „Alltagsmathematische Praktiken von Überschuldeten“
- Universität Hamburg, Fakultät für Erziehungswissenschaften, Juniorprofessur für Erwachsenenbildung, Jun.-Prof. Dr. Silke Schreiber-Barsch
- Universität Hamburg, Fakultät für Erziehungswissenschaften, Professur für Didaktik der gesellschaftswissenschaftlichen und mathematisch-naturwissenschschaftlichen Fächer, Prof. Dr. Gabriele Kaiser
Material und Downloads zum Projekt
Publikationen
Benz-Gydat, Melanie; Klüver, Thea; Pabst, Antje; Zeuner, Christine (2022): Ohne Rechnen kommt man im Leben nicht weiter. Numeralität als soziale Praxis aus der biographischen Perspektive älterer Menschen. Lebenslanges Lernen. Bielefeld: wbv Media. https://www.wbv.de/shop/Ohne-Rechnen-kommt-man-im-Leben-nicht-weiter-I70315
Pabst, Antje; Zeuner, Christine (2021): Betrachtungen zu Literalität und Numeralität als soziale Praxis. In: Zeitschrift für Pädagogik. 67. Beiheft, April 2021, 68-87.
Zeuner, Christine; Pabst, Antje; Benz-Gydat, Melanie (2020): Numeracy practices and vulnerability in old age: interdependencies and reciprocal effects. ZDM Mathematics Education. published online 01 February 2020. 13 pages. DOI: 10.1007/s11858-019-01121-0
Pabst, Antje; Curdt, Wiebke; Benz-Gydat, Melanie; Schreiber-Barsch, Silke; Zeuner, Christine (2019): Numeralität als soziale Praxis – forschungstheoretische Einordnung und empirische Zugänge. In: Zeitschrift für Weiterbildungsforschung, Dezember 2019, Volume 42, Issue 3, pp 379–395. DOI: 10.1007/s40955-019-00146-y
Pabst, Antje & Zeuner, Christine (2016). Lesen und Schreiben – Kulturtechnik oder soziale Praxis? In: Löffler, Cordula; Korfkamp, Jens (Hrsg.): Handbuch zur Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener. Münster: Waxmann Verlag, 59–72.
Pabst, Antje & Zeuner, Christine (2011). „Lesen und Schreiben eröffnen eine neue Welt!“. Literalität als soziale Praxis – Eine ethnographische Studie. Bielefeld: W. Bertelsmann.
Pabst, Antje & Zeuner, Christine (2011). Literalität als soziale Praxis. Bedeutungen von Schriftsprachlichkeit. In: REPORT – Zeitschrift für Weiterbildungsforschung (3), 36–47. Verfügar unter: http://www.die-bonn.de/doks/report/2011-alphabetisierung-04.pdf.
Zeuner, Christine & Pabst, Antje (2011). Literalität und ihre Bedeutung für Partizipation und gesellschaftliche Teilhabe. In: Journal für politische Bildung, 42–52.
Pabst, Antje & Zeuner, Christine (2011). Begründungen und Anwendungen literaler Praktiken – Ein Beitrag zur Perspektiverweiterung der Alphabetisierungsarbeit mit Erwachsenen. In: Zielgruppen in Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener. Bestimmung, Verortung, Ansprache. Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener, Bielefeld: W. Bertelsmann, 97–117.
Letzte Änderung: 6. März 2023