Studienjahr 2020 / 2021

 

Lehrveranstaltungen: HT 2020, WT 2021, FT 2021.


HT 2020

Lehrveranstaltungen Prof. Dr. Sanders, Dr. Behrens, Beiler | Herbsttrimester 2020

HT 2020: Kritische Theorie der Gesellschaft, Bildungsphilosophie und pädagogische Praxis
Dr. Roger Behrens
(BE 01001 | Einführung in die Grundlagen der Erziehungswissenschaft:
Kritische Theorie der Gesellschaft, Bildungsphilosophie und pädagogische Praxis)

Die kritische Theorie gilt als interdisziplinäre Sozialforschung, die die unterschiedlichsten »sozialen Verhältnisse« (Marx) in Hinblick auf die »konkrete Totalität« (Marx, Lukács) zu begreifen versucht; entscheidend für die kritische Theorie ist dabei die Einsicht, dass die Sozialforschung selbst bereits ein Element dieser sozialen Verhältnisse konkreter Totalität ist – und also um kritisch zu sein notwendiger Weise programmatisch an die Reflexion über die eigene Stellung im Forschungsprozess und -zusammenhang gebunden ist: Wissenschaft wird damit zum Programm der Praxis radikaler Aufklärung (H. Schweppenhäuser); um dies zu gewährleisten, wird unabhängig von politischen Parteien und unmittelbarer akademischer Einbindung Mitte der 1920er Jahre das Institut für Sozialforschung gegründet.
Bemerkenswert ist, dass die Forschungen in Bezug auf pädagogische Themen ambivalent bleiben: Zwar geht es in den Großstudien über ›Autorität und Familie‹ (1936) und zur ›Authoritarian Personality‹ (1950) auch um Erziehung und Bildung, aber nicht explizit; pädagogische Einrichtungen und Bildungsinstitutionen (Kindergärten, Schulen, Hochschulen, Berufsschulen, Universitäten etc.) waren nie dezidierter Forschungsgegenstand, gleichwohl zweifellos in den »Hauptwerken« der kritischen Theorie (neben Horkheimers und Adornos ›Dialektik der Aufklärung‹ seien erwähnt: Adornos ›Minima Moralia‹ und ›Negative Dialektik‹, Marcuses ›Triebstruktur und Gesellschaft‹ sowie ›Der eindimensionale Mensch‹ …) im weitesten Sinne pädagogische Fragen durchaus virulent sind.
Überdies schließen die Strömungen der kritischen Erziehungswissenschaft an die kritische Theorie an: neben Heydorn, Mollenhauer, Gamm ist hier vor allem auf Negt zu verweisen.
In diesem Seminar geht es
a) um eine Einführung in die kritische Theorie (und ihre theoriegeschichtliche Entwicklung),
b) um eine Rekonstruktion einer kritischen Theorie der Pädagogik,
c) um eine Einführung in die kritische(n) Erziehungswissenschaft(en),
d) um die Kritik der (aktuellen) Bildungsphilosophie und pädagogischen Praxis.

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WT 2021

Lehrveranstaltungen Prof. Dr. Sanders, Dr. Behrens, Beiler | Wintertrimester 2021

WT 2021: Pädagogik, Ästhetik und Alltagskultur (Cultural Studies)
Dr. Roger Behrens
(Modul BuErz 01001 | Grundlagen der Erziehungswissenschaft Teil II – Einführung in die Theorien der Erziehungswissenschaft: Pädagogik, Ästhetik und Alltagskultur (Cultural Studies))

Die klassische Bildungstheorie ist mit einem Begriff der Kultur verknüpft, der wesentlich die (abstrakte) Sphäre des Geistigen bezeichnet und sich derart in Vorstellungen von Werten und Normen sedimentiert, die wiederum an die allgemeinen Ansprüche und Aufgaben der Erziehung gebunden sind.
Durch die Reformierung der Erziehungswissenschaft im Verlauf des 20. Jahrhunderts, vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg, erfährt diese Komplexion von Bildungstheorie, Kulturbegriff und Pädagogik eine grundlegende Revision – und zwar nicht zuletzt durch die sich in der Alltagskultur widerspiegelnden und niederschlagenden Neuorientierungen individueller Lebensweisen.
Damit bekommt – auch für die Pädagogik – das Ästhetische ein neues Gewicht, ebenso wie das Pädagogische in neuer Weise mit der Ästhetik rückgekoppelt wird.
Mit enger Bindung an die Erziehungswissenschaft versuchen seit Mitte der 1950er Jahre die so genannten Cultural Studies diese Phänomene zu fassen.
Damit wollen wir uns im Seminar beschäftigen: historisch, systematisch, exemplarisch.

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WT 2021: Bildungswiderstände. Psychoanalyse und Pädagogik
Dr. Roger Behrens
(Modul BuErz 08001 | Wissenschaftstheoretische, methodologische, geistes- und sozialwissenschaftliche Forschungsfragen in der Erziehungswissenschaft: Bildung, Differenz und plurale Gesellschaften Teil I – Wissenschaftstheorie und Methodologie in der Erziehungswissenschaft: Bildungswiderstände. Psychoanalyse und Pädagogik)

Bildungswiderstände sind Auseinandersetzungen der Subjekte mit Herrschaft und Selbstbeherrschaft; sie können Widerstand gegen Bildung überhaupt sein, sind aber auch notwendig als Bedingung von Bildung überhaupt – und (Er-) Öffnen so Wege zur Selbstfreigabe (Emanzipation), mit denen das Subjekt fähig wird, seine Lebensgeschichte zu bewältigen.
Solche Möglichkeit der Aufklärung bietet auch die Psychoanalyse. Ihre Grundlagen werden in derselben Zeit – nämlich um 1900 – entwickelt, in der auch Pädagogik (und Bildung) einen tiefgreifenden Umbruch erfahren.
Es geht in dem Seminar um (mindestens) drei Fragen: Was ist Psychoanalyse? Inwiefern hat es eine Verbindung von Psychoanalyse und Pädagogik gegeben, inwiefern ist diese Verbindung gescheitert oder verhindert worden? Welche aktuellen Bezüge gibt es zwischen Pädagogik und Psychoanalyse, welche nicht?
Konzepte, die dabei eine Rolle spielen, sind: Bewusstsein / Unbewusstes, Angst, Schuld und Abwehr, Übertragung / Gegenübertragung, Phantasie, Anpassung, freie Assoziation, Traum und Traumarbeit, Rationalisierung etc. – und schließlich auch der Begriff der Bildungswiderstände …

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FT 2021

Lehrveranstaltungen Prof. Dr. Sanders, Dr. Behrens, Beiler | Frühjahrstrimester 2021

FT 2021: Sozial- und kulturphilosophische Grundlagen der Pädagogik
Dr. Roger Behrens
(Modul BuErz 03001 | Geistes- und sozialwissenschaftliche Ansätze der Erziehungswissenschaft: Sozial- und kulturphilosophische Grundlagen der Pädagogik)

Die moderne Pädagogik entfaltet sich im und mit dem Zeitalter der Aufklärung, aus der Hochphase des deutschen Idealismus gehen Bildungsbegriff und -theorie hervor. Dem folgt das 19. Jahrhundert historisch als Periode der Krise und Kritik, die in der Neuordnung der Wissenschaften mündet (Differenzierung von Natur- und Geisteswissenschaften, »verstehende« und »erklärende« Wissenschaften, Etablierung von Fach- und Grundlagenwissenschaften wie Archäologie, Soziologie, Behaviorismus etc.). Gesellschaftliche Umbrüche spiegeln sich überdies auch in einer Neu- bzw. Reformierung der Pädagogik und Bildungstheorie wie -praxis wider; dabei kommt es mit der Neuorientierung der Philosophie als Sozial- und Kulturphilosophie auch zu einer Aktualisierung und Restitution der Pädagogik als Wissenschaft, wobei »das Kulturelle« und »das Soziale« gleichermaßen zur Disposition stehen. In diesem Seminar wollen wir uns über die kritische Auseinandersetzung mit Schlüsseltexten und -themen der Sozial- und Kulturphilosophie Grundlagen der Pädagogik beziehungsweise Erziehungswissenschaft aneignen.

Link zum Seminar [intern].

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FT 2021:  »Das richtige oder vielmehr das falsche Leben« – Probleme der Moralphilosophie, heute.
Dr. Roger Behrens
(Eintrimestriges Modul ISA 00033 | »Das richtige oder vielmehr das falsche Leben« – Probleme der Moralphilosophie, heute)

Er habe ein Buch über »das richtige oder vielmehr das falsche Leben« geschrieben, sagte der Philosoph Theodor W. Adorno (1903–1969) zu Beginn seiner Vorlesung ›Probleme der Moralphilosophie‹ 1963; gemeint war die in den 1940er Jahren im U.S.-amerikanischen Exil entstandene Aphorismensammlung ›Minima Moralia‹; »Reflexionen aus dem beschädigten Leben« lautet der Untertitel dieser »Kleinen Ethik«, die als Gegenentwurf zur Aristoteles zugeschriebenen ›Magna Moralia‹ verstanden werden muss: Verteidigt wird auch hier das gute, »richtige« Leben – aber, wie Adorno bündig in einem mittlerweile fast zum Sprichwort popularisierten Satz formuliert: »Es gibt kein richtiges Leben im falschen«. Das ist das Vorzeichen einer negativen Ethik, also einer Morallehre, die angibt, wie man nicht handeln soll oder nicht handeln kann. Ausgangssituation ist die Erfahrung eines vom Terror überschatteten Jahrhunderts (Krieg, Faschismus, Stalinismus, Elend) als vom Menschen gemachte Geschichte, die allein durch gut gemeinte Moral nicht zu bewältigen ist.

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts scheinen sich die moralphilosophischen Diskussionen längst wieder »positiv« eingestellt; angesichts neuer, hauptsächlich im Bereich Ethik und Technik angesiedelter Probleme scheint der moralische Pessimismus Adornos nicht mehr zielführend zu sein, weil er zu Klimawandel, Drohnen-Technologie, Digitalisierung oder Fragen der medizinischen Kontrolle nichts Produktives beizusteuern hat.

Im Seminar wollen wir uns in diese Debatte einbringen und über die Diskussion aktueller Probleme der Moralphilosophie versuchen, uns historisch wie systematisch die Grundlagen der Ethik anzueignen.

Link zum Seminar [intern].

HSU

Letzte Änderung: 2. August 2021