»Jede Gesellschaft hat ihre eigene Ordnung der Wahrheit, ihre allgemeine ›Politik der Wahrheit‹ …« – Michel Foucault, ›Dispositive der Macht‹ (Berlin 1978, S. 51)
»Aber was ist die Philosophie heute – ich meine die philosophische Aktivität –, wenn nicht die kritische Arbeit des Denkens an sich selber? Und wenn sie nicht, statt zu rechtfertigen, was man schon weiß, in der Anstrengung liegt, zu wissen, wie und wie weit es möglich wäre, anders zu denken? Es ist immer etwas Lächerliches im philosophischen Diskurs, wenn er von außen den andern vorschreiben und vorsagen will, wo ihre Wahrheit liegt und wie sie zu finden ist, oder wenn er in naiver Positivität vorschreiben will, wie sie zu verfahren haben. Aber es ist sein Recht, zu erkunden, was in seinem eigenen Denken verändert werden kann, indem er sich in einem ihm fremden Wissen versucht.« – Michel Foucault, ›Sexualität und Wahrheit 2: Der Gebrauch der Lüste‹ (Frankfurt am Main 1997, S. 15 f.)
In den kultur- und sozialwissenschaftlichen Debatten haben die Theorien und Theoreme von Michel Foucault (1926–1984) mittlerweile den Status eines Deutungsmusters, behaupten sich nachgerade – vor allem im akademischen Diskurs – hegemonial und liefern die Schlagworte des feuilletonistischen wie wissenschaftsbetrieblichen Jargons. Foucaults Texte zu etwa Mikrophysik der Macht, Gouvernementalität, Sexualität und Biopolitik bilden zentrale Referenzen für verschiedenste, sich kritisch verstehende »Einsätze«, zumal wenn es um Themen im Feld derzeitiger, kumulativer und multipler Krisen geht.
Abgesehen von den längst »klassischen« Anschlüssen in den Gender oder Postcolonial Studies finden sich Bezugnahmen auf Foucault in fast sämtlichen Analysen zu aktuellen globalen Schlüsselproblemen. An der Bedeutung der vielen Begriffe, derer sich in der – nicht nur akademischen – Wissensproduktion aus dem Foucaultschen Werkzeugkasten bedient wird, deutet sich nachgerade ein epistemologischer Paradigmenwechsel an: In Foucaultscher Perspektive erscheinen beispielweise Konzepte wie »Kritik« oder »Aufklärung« in einem gänzlich neuen Licht.
Der vierzigste Todestag von Foucault bietet Anlass, diese Forschungsperspektiven historisch wie systematisch ebenso zu rekonstruieren wie auch überhaupt zu überdenken: Im Sinne einer Archäologie und Genealogie der Diskurse um und mit Foucault, ist auch danach zu fragen, ob und welche Aktualisierungen sich für die Themen gegenwärtiger gesellschaftlicher Herausforderungen (etwa Globalisierung, Digitalisierung, Umwelt/Ökologie, Krieg und Militarisierung, Faschisierung, Humanismus etc.) ergeben – durch Foucault, über ihn hinaus und vielleicht auch gegen ihn …
Programm
12. Juni 2024 – HSU Mensa (Truppenküche) – Raum 0001
9:30 bis 9:40 Uhr
Begrüßung
9:40 bis 10:25 Uhr
Lukas Schildknecht: Die Foucault-Lektüre als Ent-Täuschung und Enttäuschung
10:25 bis 11:10 Uhr
Roger Behrens: Nach Foucault, das Elend der Theorie, soziale Amnesie
11:10 bis 11:25 Uhr
Kaffeepause
11:25 bis 12:10 Uhr
Udo Kelle: Weil ich doch vor zwei Jahren schon einmal verhört worden bin –
empirische Sozialforschung als Technologie der Wahrheit
12:10 bis 13:30 Uhr
Mittagessen
13:30 bis 14:45 Uhr
Close Reading
14:15 bis 15:00 Uhr
Andreas Richter: Gespielte Heterotopie – Digitale Spiele als Heterotopie
15:00 bis 14:15 Uhr
Kaffeepause
15:15 bis 16:00 Uhr
Olaf Sanders: Foucaults Ethik revisited
16:00 Uhr
Abschlussdiskussion
Termin: 12. Juni 2024
Ort: Campus Helmut-Schmidt-Universität – Universität der Bundeswehr Hamburg – Mensa (Truppenküche) – Raum 0001
Organisation: Andreas Richter, Professur für Erziehungswissenschaft, insbesondere Bildungs- und Erziehungstheorie sowie philosophische Grundlagen
Letzte Änderung: 13. Mai 2024