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Workingpaper: Risiken des russischen SWIFT-Ausschlusses

HSU

22. März 2022

Bereits im Januar 2022 veröffentlichten Wissenschaftlerinnen der Universität ein Workingpaper zu den möglichen Auswirkungen des damals nur drohenden SWIFT-Ausschlusses Russlands auf das Finanzmanagement deutscher Unternehmen. Am 26. Februar wurde das sanktionspolitische Szenario Realität: Die Europäische Union gab neben Großbritannien, Kanada und den Vereinigten Staaten den Ausschluss zahlreicher russischer Banken aus dem SWIFT-System bekannt.

Zahlreiche deutsche Unternehmen unterhalten Auslandsdirektinvestitionen in Russland. Das vor Beginn des Russisch-Ukrainischen Krieges von Univ.-Prof. Dr. Matija Mayer-Fiedrich und ihrer Doktorandin Dipl. Kffr. techn. Nicole Naß (Professur für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Internationale Finanzierung) verfasste Arbeitspapier setzt sich mit der Frage auseinander, welche Risikofaktoren im Falle einer SWIFT-Kappung für deutsche Auslandsdirektinvestition in einem anderen Währungsgebiet virulent werden.

Davon ausgehend beleuchten die Autorinnen, welche Möglichkeiten weiterhin bestünden, um Zahlungen ohne SWIFT zu leisten und die Geschäftstätigkeit deutscher Unternehmen mit Russland aufrechtzuerhalten. Betrachtung finden dabei auch die Zahlungssysteme SPFS und CIPS und die Frage, ob diese einen adäquaten Ersatz für SWIFT darstellen.

Download

SWIFT or not? Zur drohenden Begrenzung der Transaktionen mit Russland und der Frage nach Alternativen für das Finanzmanagement deutscher Auslandsdirektinvestitionen. https://openhsu.ub.hsu-hh.de/bitstream/10.24405/14181/1/openHSU_14181.pdf

Die Universität und der Russisch-Ukrainische-Krieg

HSU

21. März 2022

Nach Invasion der Ukraine durch russische Truppen am 24. Februar 2022 haben Universitätsmitglieder zahlreiche Initiativen entwickelt, um auf akademischer Basis mit dem Krieg umzugehen: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler organisierten Diskussions- und Vortragsveranstaltungen und kommentierten aktuelle Entwicklungen in den Medien. Studierende sammelten Hilfsgüter und Spendengelder, um Not und Leiden der ukrainischen Bevölkerung und der Geflüchteten zu lindern.

Der Eingang des ukrainischen Konsulats in Hamburg. Menschen haben Blumen, Kerzen, Flaggen und Plakate in den ukrainischen Farben Blau und Gelb aufgestellt.
Der Eingang des ukrainischen Konsulats in Hamburg. Menschen haben Blumen, Kerzen, Flaggen und Plakate in den ukrainischen Farben Blau und Gelb aufgestellt.

„Wir alle sind in diesen Tagen betroffen vom Russland-Ukraine-Krieg, und nicht nur wegen seiner räumlichen Nähe geht uns allen dieser Krieg näher als die meisten anderen bewaffneten Konflikte der Gegenwart und der jüngeren Vergangenheit. Unsere Gedanken sind an dieser Stelle bei allen Menschen, die von diesem Krieg – mittelbar oder unmittelbar – betroffen sind“, erklärte Universitätspräsident Prof. Dr. Klaus Beckmann in seiner Videobotschaft vom 14. März 2022. Dabei kündigte Beckmann an, dass sich die Universität an der Wissenschaftsbrücke der Hamburger Hochschulen beteiligen wolle.

Der Präsident appellierte an alle Hochschulmitglieder, den Kolleginnen und Kollegen und Kommilitoninnen und Kommilitonen aus den am Krieg beteiligten Nationen vorurteilsfrei, mit Respekt und ohne jede Feindseligkeit zu begegnen. Am 15. März traf sich Beckmann mit dieser Gruppe zu einer nicht-öffentlichen Konferenz, um ihnen seine Wertschätzung zu versichern.

Mit einer Vielzahl von Veranstaltungen und Veröffentlichungen haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität auf den Russisch-Ukrainischen Krieg reagiert. Auf der Homepage der Universität versuchen wir, diese Aktivitäten zu dokumentieren. Hier gelangen Sie zur Übersicht.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Helmut-Schmidt-Universität sind auch gefragte Experten, wenn es darum geht, in den Medien aktuelle Entwicklungen zu kommentieren. Eine besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang auch dem German Institute for Defence and Strategic Studies GIDS zu, dem gemeinsam von Universität und Führungsakademie der Bundeswehr betriebenen Forschungsinstitut.

Wenige Tage nach Kriegsbeginn hatten Studierende unter der Federführung des Studentischen Konvents 3,5 Tonnen Hilfsgüter – Hygieneartikel, Kleider, Kälte- und Nässeschutz, Erste-Hilfe- und Verbandsmaterial – gesammelt. Mit zwei voll beladenen Transportern, die von zwei Hamburger Autovermietungen zur Verfügung gestellt worden waren, wurden die Hilfsgüter bis in die Nähe der polnisch-ukrainische Grenze gebracht.

In einer zweiten Sammelaktion baten die Studierenden um Spenden zu Gunsten von „Aktion Deutschland Hilft“, einem Aktionsbündnis der großen Hilfsorganisationen. Die Sammlung, die noch bis zum 26. April läuft, erbrachte bislang mehr als 22.000 Euro.

Universität und Militärische Sicherheit

HSU

28. März 2022

Der Akademische Senat der Universität hat beschlossen, aus Anlass der Einführung eines Militärischen Sicherheitsbereichs auf dem Campus eine akademische Tagung zu veranstalten. Am 19. und 20. Mai 2022 sollen in diesem Symposium die möglichen Spannungen zwischen Wesen und Auftrag einer Universität einerseits und der Erzielung militärischer Sicherheit andererseits wissenschaftlich untersucht werden. Der Akademische Senat, der sich gegen die Einrichtung eines Militärischen Sicherheitsbereichs ausgesprochen hatte, hält ein solches Forum für akademischen Diskurs, der auch in eine wissenschaftliche Publikation mündet, für die angemessene Weise, als Universität mit dem Themenkomplex umzugehen.

Vorbereitet wurde das Symposion von einem Komitee, in dem alle Statusgruppen der Universität vertreten sind und das interdisziplinär aufgestellt ist. Die Körber-Stiftung konnte für eine hochrangig besetzte Abendveranstaltung gewonnen werden.

Das Tagungsprogramm gibt es hier.

Michael Berlemann ist neuer Wissenschaftlicher Direktor des HWWI

HSU

18. März 2022

Univ.-Prof. Dr. Michael Berlemann (Politische Ökonomik und empirische Wirtschaftsforschung) ist neuer wissenschaftlicher Direktor des Hamburgischen WeltWirtschaftsInsitut (HWWI). Im Zuge einer gemeinsamen Pressekonferenz von Handelskammer, Universität und HWWI wurde er am 18. März 2022 der Öffentlichkeit vorgestellt.

Ein Mann in einem blauen Anzug
Univ.-Prof. Dr. Michael Berlemann ist seit März 2022 Wissenschaftlicher Direktor des HWWI

Zur Person

Berlemann studierte von 1989 bis 1994 Wirtschaftswissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum und promovierte 1999 mit einer mit einer Arbeit zu politökonomischen Theorien der Inflation und der Konjunktur an der Fakultät Wirtschaftswissenschaften der Technischen Universität Dresden. Seine Habilitation im Fach Volkswirtschaftslehre schloss er 2004 mit einer Arbeit zu den Methoden der Inflationsprognose an der gleichen Hochschule erfolgreich ab.

Seit Juli 2007 ist er Professor für Volkswirtschaftslehre, insbes. Politische Ökonomik und Empirische Wirtschaftsforschung an der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg. Vor seiner Berufung nach Hamburg war Prof. Dr. Michael Berlemann Managing Director der Dresdner Niederlassung des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung.

Außerdem ist Prof. Dr. Berlemann seit 2010 Forschungsprofessor am ifo Institut für Wirtschaftsforschung. Seit 2013 ist er federführender Herausgeber der Fachzeitschrift „Review of Economics“. Seit 2019 ist er zudem Mitglied des Exzellenzclusters „Climate, Climatic Change, and Society“ (CLICCS) an der Universität Hamburg.

Prof. Dr. Berlemann forscht vorrangig mit den Methoden der modernen Ökonometrie auf den Gebieten der Klimaökonomik, der Makroökonomik (Konjunktur, Wachstum, Geldpolitik), der Finanzmärkte, der Migration, der Gesundheitsökonomik und der Mittelstandsforschung.

„Ich freue mich auf die intensive Zusammenarbeit im HWWI und die Aufgabe, das Institut von einem Think-Tank wieder zu einem Wirtschaftsforschungsinstitut zu entwickeln. Wir werden dabei Schwerpunkte in den Themengebieten Umwelt und Klima, Migration und Integration sowie der räumlichen Ökonomie setzen. Darüber hinaus werden wir uns auch intensiv mit den Determinanten und der Prognose von Konjunktur und Wachstum beschäftigen und hierbei einen besonderen Fokus auf Hamburg und Norddeutschland richten“, erklärte Berlemann während der Pressekonferenz.

Universität übernimmt wissenschaftliche Leitung des HWWI

HSU

19. Januar 2023

Das Hamburgische WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) stellt sich neu auf. Ziel ist es, das HWWI mit einem Dreisprung – Wissenschaftlichkeit stärken, den norddeutschen Wirtschaftsraum stärker in den Blick nehmen, internationales Trendscouting etablieren – strategisch noch stärker aufzustellen. Dazu wird die bestehende Kooperation der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg mit der Handelskammer Hamburg deutlich ausgebaut. Die Universität stellt dem HWWI unter anderem zusätzliche wissenschaftliche Mitarbeitende und Professoren zur Verfügung. Das gaben Universität und Handelskammer heute in einer gemeinsamen Pressekonferenz bekannt.

Drei Männer in dunklen Anzügen in einem Saal mit vielen Rundbögen
(v.l.n.r.) Prof. Dr. Klaus Beckmann, Präsident der Helmut-Schmidt-Universität, Prof. Norbert Aust, Präses der Handelskammer Hamburg, Univ.-Prof. Dr. Michael Berlemann, neuer Wissenschaftlicher Direktor des HWWI

Univ.-Prof. Dr. Michael Berlemann, Professor für Politische Ökonomik und empirische Wirtschaftsforschung, wird neuer wissenschaftlicher Direktor des HWWI und gemeinsam mit dem HWWI-Geschäftsführer, Dr. Dirck Süß, das Institut führen. Die Vertiefung der Kooperation zwischen Handelskammer, HSU und HWWI ist die Basis, um die wissenschaftliche Reputation des HWWI zu stärken. In Zukunft will sich das HWWI auf vier Themenfelder fokussieren: Konjunktur & Wachstum, Umwelt & Klima, Migration & Integration sowie Räumliche Ökonomik. Hinzu kommt die verstärkte Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses durch verbesserte Promotionsmöglichkeiten in Zusammenarbeit mit der HSU.

Außerdem soll die Zusammenarbeit von Wissenschaft, der norddeutschen Wirtschaft und Politik intensiviert werden. So soll das HWWI als Wirtschaftsforschungsinstituts künftig auch dazu beitragen, wichtige Entwicklungen und Trends frühzeitig zu erkennen und zu analysieren und die Erkenntnisse für die wirtschaftliche Entwicklung Hamburgs und Norddeutschlands nutzbar zu machen. Hierfür werden die Expertise und Netzwerke von Professor Berlemann, der unter anderem Mitglied des Klima-Exzellenzclusters CLICCS der Universität Hamburg ist, wertvolle Impulse liefern.

Universitätspräsident Prof. Dr. Klaus Beckmann: „Für die Helmut-Schmidt-Universität ist es der richtige Schritt, die Zusammenarbeit mit dem HWWI zu verstärken. Ich gratuliere Michael Berlemann zu seiner Ernennung. Er verkörpert die nachgewiesene Forschungsstärke der Helmut-Schmidt-Universität im Bereich der Ökonomie. Als ehemaliger Managing Director der Dresdner Niederlassung des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung besitzt er Erfahrung in der Führung einer der renommiertesten Forschungseinrichtungen im Bereich der Volkswirtschaft. Ich bin überzeugt, dass er mit seiner Expertise das HWWI weiter voranbringen wird.“

Prof. Michael Berlemann, neuer wissenschaftlicher Direktor HWWI: „Ich freue mich auf die intensive Zusammenarbeit im HWWI und die Aufgabe, das Institut von einem Think-Tank wieder zu einem Wirtschaftsforschungsinstitut zu entwickeln. Wir werden dabei Schwerpunkte in den Themengebieten Umwelt und Klima, Migration und Integration sowie der räumlichen Ökonomie setzen. Darüber hinaus werden wir uns auch intensiv mit den Determinanten und der Prognose von Konjunktur und Wachstum beschäftigen und hierbei einen besonderen Fokus auf Hamburg und Norddeutschland richten.“

Prof. Norbert Aust, Präses der Handelskammer Hamburg: „Die strategische Weiterentwicklung ist uns ein besonderes Anliegen, denn das HWWI ist eine der ältesten und traditionsreichsten Wirtschaftsforschungsinstitute Deutschlands und damit ein relevanter und unverzichtbarer Standortfaktor. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft ist für den Wirtschaftsstandort Hamburg und Norddeutschland wettbewerbsentscheidend. Durch die Kooperation mit der Helmut-Schmidt-Universität und mit der fachlichen Expertise von Herrn Prof. Berlemann wird das HWWI dabei einen wichtigen Beitrag leisten.“

Dr. Malte Heyne, Hauptgeschäftsführer der Handelskammer Hamburg: „Wie wir den großen Herausforderungen, wie der Klimawende, dem Fachkräftemangel oder der Digitalisierung begegnen, ist entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und des gesamten Wirtschaftsstandortes. Um Trends rechtzeitig zu erkennen und proaktiv nutzen zu können, brauchen wir ein starkes Forschungsinstitut, das diese Impulse für unsere Mitgliedsunternehmen liefert. Die Neuaufstellung im wissenschaftlichen Bereich ist der erste wichtige Schritt dahin, das HWWI in diesem Sinne neu zu positionieren.“

Zwei Männer in blauen Anzügen in einem Saal mit vielen Rundbögen
Univ-Prof. Dr. Michael Berlemann (rechts), Wissenschaftlicher Direktor des HWWI, mit HWWI-Geschäftsführer Dr. Dirck Süß

Putins Krieg: Folgen für Europa und die Welt

HSU

21. März 2022

Die internationale Politik befindet sich seit dem Beginn von Putins Krieg in der außergewöhnlichen Lage, das Geschehen des nächsten Tages und der nächsten Woche nicht abschätzen zu können. Gleichwohl ist es erforderlich, den Blick über das Kriegsgeschehen hinaus auf denkbare mittelfristige Entwicklungen in Europa und im internationalen System zu richten, diese zu analysieren und einzuordnen. Erste Annahmen und Analysen aus Wissenschaft, Diplomatie und Politik wurden am 9. März 2022 bei einer Veranstaltung der Professur für Internationale Beziehungen zur Diskussion gestellt.

Es diskutierten:

Rüdiger Lüdeking, Dr. Ute Finckh-Krämer und Prof. Dr. Maximilian Mayer.
Moderation: Univ.-Prof. Dr. Michael Staack

Rüdiger Lüdeking war unter anderem Deutschlands Botschafter bei der OSZE und stv. Abrüstungsbeauftragter der Bundesregierung. Der frühere Diplomat hat sich bis zum Beginn von Putins Krieg für neue Sicherheitsvereinbarungen mit Russland unter Einschluss eines NATO-Beitrittsmoratoriums für die Ukraine eingesetzt. Botschafter Lüdeking hat sich schon bisher für die schnellstmögliche Beseitigung der Ausrüstungs- und Fähigkeitsdefizite der Bundeswehr und die Erfüllung des 2%-Ziels der NATO ausgesprochen. Er befürwortet das großangelegte Rüstungsprogramm der Bundesregierung für die Bundeswehr mit dem Ziel, die strategische Handlungsfähigkeit der EU voranzutreiben – auch mit Blick auf mögliche politische Veränderungen in den USA.

Dr. Ute Finckh-Krämer war als Bundestagsabgeordnete der SPD Mitglied des Auswärtigen Ausschusses und der Unterausschüsse für zivile Krisenprävention, Konfliktbearbeitung und vernetztes Handeln bzw. für Abrüstung und Rüstungskontrolle. Sie setzt sich seit vielen Jahren dafür ein, in Kriegs- und Bürgerkriegssituationen Handlungsmöglichkeiten zu finden, die den Konflikt nicht weiter anheizen, sondern einen Weg zum Frieden eröffnen. In einer Situation, in der die NATO-Staaten sich auf Waffenlieferungen und Aufrüstung konzentrieren, sucht sie weiterhin nach allem, was den russischen Angriff beenden und den Frieden bringen kann, den sich fast alle Menschen sowohl in der Ukraine als auch in Russland wünschen.

Prof. Dr. Maximilian Mayer lehrt Internationale Beziehungen an der Universität Bonn. Zuvor war er u.a. als Hochschullehrer an der Tongji-Universität in Shanghai tätig. Professor Mayer forscht zu Chinas Einfluss als globaler Akteur vor dem Hintergrund von ökonomischen und technologischen Machtverschiebungen. Er ist davon überzeugt, dass sich China angesichts des Kriegs in der Ukraine und gerade wegen seiner engen strategischen Beziehung zu Russland nicht länger auf eine Neutralität zurückziehen kann. Einerseits, so seine Auffassung, erhöhe sich der Erwartungsdruck auf China, sich von Russland zu distanzieren. Andererseits könnte Chinas Präsident Xi eine Vermittlerrolle einnehmen, um zur Deeskalation beizutragen.

Univ.-Prof. Dr. Michael Staack, Professur für Theorie und Empirie der Internationalen Beziehungen, befasst sich unter anderem mit internationaler Ordnungspolitik, deutscher Außenpolitik und Fragen der Europäischen Friedensordnung.

Zum Russisch-Ukrainischen Krieg

HSU

21. März 2022

In seiner heutigen Videobotschaft spricht Universitätspräsident über die Rolle der Universität vor dem Hintergrund des Russisch-Ukrainischen Krieges.

Das Video vom 14.03.2022 im Volltext

Liebe Universitätsmitglieder,
liebe Kommilitoninnen und Kommilitonen,

wenn ich mich heute wieder an Sie richte, geht es einmal nicht um die Bekämpfung der laufenden Pandemie.

Wir alle sind in diesen Tagen betroffen vom Russland-Ukraine-Krieg, und nicht nur wegen seiner räumlichen Nähe geht uns allen dieser Krieg näher als die meisten anderen bewaffneten Konflikte der Gegenwart und der jüngeren Vergangenheit.

Unsere Gedanken sind an dieser Stelle bei allen Menschen, die von diesem Krieg – mittelbar oder unmittelbar – betroffen sind.

900 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr verstärken bei der Mission Enhanced Forward Presence die Multinationale Battlegroup in Litauen zum Schutz der Bündnispartner im Baltikum. Und 13.700 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, darunter viele Absolventinnen und Absolventen unserer Universität, sind seit zwei Wochen als Teil der NATO Response Force in erhöhter Bereitschaft, um bei Bedarf in Südosteuropa das NATO-Territorium zu schützen. Dazu gehören auch fünf seegehende Einheiten der Marine und fliegende Einheiten der Luftwaffe, welche das Air Policing im Baltikum durchführen. Allen Kameradinnen und Kameraden danke ich für ihren Dienst und hoffe, dass Sie bald alle gesund wieder zu ihren Familien heimkehren.

Ich möchte weder den Krieg noch die Politik der NATO kommentieren. Denn das steht mir nach meiner Überzeugung nicht zu.

Als Universität der Bundeswehr und Dienststelle im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung haben wir in dieser besonderen Situation eine andere Rolle als die „normalen“ Universitäten. Unsere Pressestelle bekommt das tagtäglich zu spüren, denn die Medien fragen dort ständig nach Kommentaren zu Strategie und Taktik der Kriegsparteien, nach Waffensystemen und Ausrüstung, nach politischen Einschätzungen, Stellungnahmen zur Rüstungs- und Streitkräfteplanung vor dem Hintergrund des angekündigten 100-Milliarden-Sondervermögens für Ausrüstung der Bundeswehr und anderes mehr.

Wir kommentieren dies alles nicht, denn um es mal deutlich zu sagen: Es gibt kein allgemeinpolitisches Mandat unserer Universität, ihrer Gremien oder einzelner Mitglieder. Für die Bundeswehr spricht an dieser Stelle die politische Leitung des Bundesministeriums der Verteidigung. Und nur die allein.

Das bedeutet jedoch nicht, dass sich fachlich ausgewiesene Expertinnen und Experten – Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unserer Universität – nicht in den akademischen Diskurs einbringen und so zur Meinungsbildung – auch der Mitglieder der Universität – beitragen können. Und sollen. Nach meiner Auffassung auch: müssen.

Einige Kolleginnen und Kollegen haben dies bereits in hervorragender Weise getan. Dafür bedanke ich mich ausdrücklich. Die Pressestelle hat begonnen, diesen Diskurs in Form einer Artikelserie auf der Homepage zu dokumentieren. Und ich möchte die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität ausdrücklich dazu ermuntern, mit Namensartikeln dazu beizutragen, sofern sie sich inhaltlich mit diesem Krieg auseinandersetzen.

Mir liegt eine Sache besonders am Herzen: Wir haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch Studierende aus den am Krieg beteiligten Nationen. Es sind nicht sehr viele, aber es gibt sie.

Ich verlange von jedem Universitätsmitglied, dass diesen Kolleg:innen und Kommiliton:innen vorurteilsfrei, mit Respekt und ohne jede Feindseligkeit begegnet wird. Noch in dieser Woche werde ich mich mit dieser Gruppe zu einer nicht-öffentlichen Konferenz treffen, auch um ihnen meine Wertschätzung zu versichern.

Ich habe vorige Woche bekanntgegeben, dass wir einstweilen keine neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Russland einstellen. Mir wurde von verschiedener Seite Diskriminierung vorgeworfen, als wolle ich diese Kolleginnen und Kollegen ausgrenzen.

Dem ist nicht so.

Sowohl Russland als auch die Ukraine standen bereits vor Beginn des Konflikts ­auf der sogenannten Staatenliste des Bundesinnenministeriums. Damit war der Zugang zum Öffentlichen Dienst für Personen, die nur über eine Staatsbürgerschaft aus diesen Ländern verfügen, schon immer nur mit Ausnahmegenehmigung möglich.

Und ich habe nicht vor, die Kolleginnen und Kollegen, die bereits an unserer Universität arbeiten und wichtige und wertvolle Mitglieder sind, zu vertreiben. Diese Personen gehören zu uns, verdienen Respekt und Unterstützung.

Ich habe angewiesen, dass im Präsidialbereich eine Task Force gebildet wird, die sich mit Möglichkeiten befasst, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Ukraine bei uns zu beschäftigen. Wir beteiligen uns so mit eigenen Mitteln an der Wissenschaftsbrücke, die die freie und Hansestadt Hamburg ausgelobt hat.

Darüber hinaus richten wir den Blick auch auf mögliche Beiträge für einen Wiederaufbau des Wissenschaftssystems in den betroffenen Ländern. Falls und wenn der Kanonendonner verklingt. Dies ist mir ein persönliches Anliegen, weil ich in der ersten Hälfte der 2000-er Jahre oft beruflich auf dem Balkan war. Wie Sie wissen, gab es dort schon einmal einen Krieg in Europa.

Ich fasse zusammen, wie wir uns als Universität zu diesem Krieg verhalten und wie wir den Betroffenen helfen können:

1. Wir können durch exzellente Forschung und Lehre dazu beitragen, die Einsatzfähigkeit der deutschen Streitkräfte und die Resilienz der deutschen Gesellschaft zu erhöhen.

2. Wir können uns den Herausforderungen stellen, die sich aus dem fundamentalen Wandel in der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik ergeben. Das erfordert unter anderem, mehr zu Beschaffung und zu Logistik zu forschen und zu lehren. Es kann auch ein paar zusätzliche Module in der Politikwissenschaft oder der VWL erfordern (“strategic studies”).

3. Wir können die Expertise der Universitätsmitglieder im Rahmen des Wissenschaftstransfers zur Geltung bringen. Das umfasst Publikationen des GIDS, öffentlichkeitswirksame Äußerungen unserer Expertinnen und Experten, Analyse der Kriegsfolgen und vieles mehr. Dazu gehören aber auch wissenschaftliche Veranstaltungen wie die des Kollegen Happel – großes Kino, für das ich mich ausdrücklich bedanke.

4. Wir können unsere Anstregungen in der Auftragsforschung und beim dtec.bw unter anderem mit Blick auf digitale Autarkie, Kommunikation und Führung stärken. Oder neue dual use-Technologien entwickeln.

5. Wir können einen offenen wissenschaftlichen Diskurs auf dem Campus fördern und stabile Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei uns frei arbeiten und interagieren können. Das schließt die Gewährleistung von Sicherheit auf dem Campus, beispielsweise mit Blick auf Cyber-Angriffe und Desinformation, durchaus ein.

6. Wir können den militärischen Führungskräften der Bundeswehr und anderer europäischer Streitkräfte akademische Bildung vermitteln.

7. Wir können uns an Programmen beteiligen, die kriegsflüchtigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Unterschlupf gewähren.

Was kann jeder und jede Einzelne tun?

  1. Einen Beitrag für die Punkte 1 bis 7 leisten und
  2. für die Ukraine spenden.

Ich bedanke mich an dieser Stelle im Namen der gesamten Universität für die studentischen Initiativen, die dazu geführt haben, dass unter der Federführung des Studentischen Konvents vor einer Woche 3,5 Tonnen Hilfsgüter – Hygieneartikel, Kleider, Kälte- und Nässeschutz, Erste-Hilfe- und Verbandsmaterial – gesammelt werden konnten. Mit zwei voll beladenen Transportern, die von zwei Hamburger Autovermietungen zur Verfügung gestellt worden waren, wurden die Hilfsgüter vor einer Woche bis in die Nähe der polnisch-ukrainische Grenze gebracht.

In einer zweiten Sammelaktion baten die Studierenden um Spenden zu Gunsten von „Aktion Deutschland Hilft“, einem Aktionsbündnis der großen Hilfsorganisationen. Die Sammlung erbrachte bislang bereits rund 22.000 Euro. Die Sammlung läuft noch bis 26. April.

Vielen Dank.

Noch ein letztes Wort: Aufgrund der explodierenden Corona-Zahlen werde ich mich am Freitag, dem 25. März 2022, noch einmal an Sie wenden und dann über unsere Planungen für das Frühjahrstrimester 2022 berichten.

Putins Geschichte(n). Die Ukraine und Russland in historisch-aktuellen Bezügen

HSU

21. März 2022

Impulsreferate zur Diskussionsrunde der Professur für Geschichte Osteuropas und Ostmitteleuropas am 2. März 2022

Es sprachen: Prof. Dr. Jörn Happel, Halyna Roshchyna und Dr. Jan-Hinnerk Antons.
Moderation: Caroline Breitfelder, M. A.

Wladimir Putin glaubt an historische Rechtfertigungen. Er ist in den letzten Jahren immer wieder als vermeintlicher Historiker aufgetreten. Er verfasste Traktate, hielt Vorlesungen – zuletzt jene „Geschichtsstunde“ vom 21. Februar, als er vor laufender Kamera der Ukraine ihre Daseinsberechtigung absprach. Seine Unwahrheiten wurden Waffen: Mitten in Europa herrscht Krieg, der vom russischen Staatsführer historisch begründet wurde.

Die Professur für Geschichte Osteuropas und Ostmitteleuropas beschäftigt sich seit ihrer Gründung 1984 mit den ukrainisch-russischen Beziehungen. In der Veranstaltung aus aktuellem Anlass wurden Putins Version der ukrainischen Geschichte wissenschaftlich zurechtgerückt und historisch-aktuelle Bezüge aufgegriffen.

Die Professur für Geschichte Osteuropas und Ostmitteleuropas beschäftigt sich seit ihrer Gründung 1984 mit den ukrainisch-russischen Beziehungen.


Wir veröffentlichen an dieser Stelle aus aktuellem Anlass Debattenbeiträge von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unserer Universität, die ihre fachliche Expertise zum aktuellen Geschehen beitragen wollen. Die Auffassungen der Autoren sind ihre eigenen und geben nicht die Meinung der Universitätsleitung, der Bundeswehr oder der Bundesregierung wieder.

Atomkriegsrisiko und Russland-Ukraine-Krieg

HSU

21. März 2022

Wir veröffentlichen an dieser Stelle aus aktuellem Anlass Debattenbeiträge von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unserer Universität, die ihre fachliche Expertise zum aktuellen Geschehen beitragen wollen. Die Auffassungen der Autoren sind ihre eigenen und geben nicht die Meinung der Universitätsleitung, der Bundeswehr oder der Bundesregierung wieder.

von Michael Staack, Karl Hans Bläsius und Reiner Schwalb[1]

Die Spannungen zwischen Russland und der Nato in Zusammenhang mit der Ukraine haben in den letzten Monaten immer weiter zugenommen und führten am 24.02.2022 zum Beginn militärischer Angriffe auf die Ukraine durch Russland. Völkerrechtlich handelt es sich zweifelsfrei um einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg. Inzwischen herrscht Krieg in der gesamten Ukraine. In einer solchen Situation stellt sich auch die Frage, inwieweit das Risiko eines Einsatzes von Atomwaffen besteht, eventuell auch aus Versehen.

1. Nukleare Abschreckung

Aufgrund der verheerenden Auswirkungen eines Einsatzes von Atomwaffen schreckt der Besitz solcher Waffen potenzielle Gegner ab. Zwischen den großen Atommächten besteht eine Zweitschlagfähigkeit: Wer ange­griffen wird, kann den Einschlag von Atomwaffen abwarten und hat danach immer noch genug Zeit und Potenzial, einen vernichtenden Gegenschlag auszuführen. Im Schlagwort: „Wer als erster schießt, stirbt als zweiter“. Dieses Prinzip der nuklearen Abschreckung kann auch Kriege verhindern. Da die Ukraine keine Atomwaffen besitzt, hat dieser Aspekt in der aktuellen Situation keine Rolle gespielt.

2. Bewusster Angriff mit Atomwaffen

Die Auswirkungen eines Atomkriegs sind für alle Seiten so gravierend, dass auch in Krisen- und Kriegszeiten eine große Hemmschwelle für den Einsatz von Atomwaffen bestehen wird.

Mit der Entwicklung weiterer kleiner Atomwaffen könnte sich diese Situation ändern, die Hemmschwelle sinken. Es kann auch andere Szenarien geben, die zu einem bewussten Einsatz von Atomwaffen führen könnten. Beispielsweise besteht die Gefahr, dass eine Atommacht, die in existenzielle Not gerät, den Einsatz von Atomwaffen in Erwägung zieht. Die Strategiepapiere Russlands sehen den Einsatz von Nuklearwaffen dann vor, wenn die Existenz der Russischen Föderation auf dem Spiel steht. Dabei ist es irrelevant, ob dieser Zustand militärisch oder wirtschaftlich herbeigeführt wird. Wenn Sanktionen gegen eine Atommacht so schwerwiegend sind, dass eine existenzielle Notlage entsteht, könnte dies das Risiko eines Einsatzes von Atomwaffen erhöhen. Ähnliches gilt für schwerwiegende Cyberangriffe auf ein Land. Die Frage ist, wann ist eine solche Grenze erreicht? Das Spektrum eines möglichen Schadenspotenzials erstreckt sich kontinuierlich von „gering“ bis „riesig“ bzw. „total“. Für das Setzen einer Schwelle für einen nuklearen Angriff gibt es großen Ermessensspielraum innerhalb dieses kontinuierlichen Spektrums. Zu Beginn der Angriffe auf die Ukraine am 24.2.2022 hat der russische Präsident erklärt: „Jetzt ein paar wichtige, sehr wichtige Worte für diejenigen, bei denen die Versuchung aufkommen könnte, sich von der Seite in das Geschehen einzumischen. Wer auch immer versucht, uns zu behindern, geschweige denn eine Bedrohung für unser Land und unser Volk zu schaffen, muss wissen, dass die Antwort Russlands sofort erfolgen und zu Konsequenzen führen wird, die Sie in Ihrer Geschichte noch nie erlebt haben. Wir sind auf jede Entwicklung der Ereignisse vorbereitet. Alle notwendigen Entscheidungen wurden in dieser Hinsicht getroffen. Ich hoffe, dass ich gehört werde.“[2] Diese Drohung wird als Drohung mit Atomwaffen interpretiert.[3]

Auch eine drohende Niederlage einer Atommacht in einer konventionellen Auseinandersetzung könnte zum Einsatz von Nuklearwaffen führen.

Am 27.2.2022 hat Russland seine „Abschreckungskräfte“ in Alarmbereitschaft versetzt, dazu gehören auch Atomwaffen.[4] Zwar war dies auch 2014 bei der Annexion der Krim geschehen, aber dieses Mal ist die Situation deutlich gefährlicher. Dies auch, wegen bereits ausgesprochener und auch möglicher weiterer Sanktionen. Wenn eine solche Maßnahme wie die Alarmbereitschaft einmal gutging, muss das nicht immer so sein. Das gilt auch für andere Bereiche. Wenn beispielsweise ein riskantes Manöver im Straßenverkehr gut gegangen ist, bedeutet das nicht, dass solche Manöver immer gut gehen. Im Gegenteil: die Risikobereitschaft kann sich erhöhen, bis es zu einem schwerwiegenden Unfall kommt.

3. Risiko Atomkrieg aus Versehen in Krisen- oder Kriegszeiten

Frühwarnsysteme für nukleare Bedrohungen basieren auf Sensoren und sehr komplexen Computer-Netzwerken und dienen dazu, Angriffe mit Atomwaffen so früh zu erkennen, dass ein Gegenschlag ausgelöst werden kann (bezeichnet als „Launch on Warning“), bevor die angreifenden Atomraketen einschlagen und eine Gegenreaktion erschweren oder verhindern.

In Frühwarnsystemen kann es aber zu Fehlalarmen kommen, d.h. es wird ein Angriff mit Atomwaffen gemeldet, obwohl keine Bedrohung vorliegt. Solche Alarmmeldungen sind dann besonders gefährlich, wenn politische Krisensituationen vorliegen, eventuell mit gegenseitigen Drohungen oder wenn in zeitlichem Zusammenhang mit einem Fehlalarm weitere Ereignisse eintreten, die zur Alarmmeldung in Zusammenhang gesetzt werden könnten. In der Vergangenheit gab es einige Situationen, in denen es nur durch großes Glück nicht zu einem Atomkrieg aus Versehen kam.

Auch in der aktuellen Situation in der Ukraine besteht noch die Hoffnung, dass ein Fehlalarm in einem Frühwarnsystem als solcher interpretiert wird, ohne dass eine nukleare Gegenreaktion erfolgt. Sehr kritisch sind solche Fehlalarme, wenn aufgrund entsprechender Drohungen oder sonstiger Erkenntnisse mit einem nuklearen Angriff des Gegners gerechnet wird bzw. ein solcher Angriff als plausibel gilt. Dann besteht die Gefahr, dass die Bewertungsmannschaft von einem tatsächlichen Angriff ausgeht und eine Entscheidung für eine Gegenreaktion treffen muss.

In Abschnitt 2 ist beschrieben, dass eine Atommacht in existenzieller Not auch den Einsatz von Atomwaffen erwägen könnte. Angenommen es kommt in dieser Situation zu einem Fehlalarm mit einer nuklearen Angriffsmeldung: Wird der scheinbar angegriffene Staat dann auch abwarten und auf die Zweitschlagfähigkeit vertrauen oder eher einen sofortigen nuklearen Gegenschlag beschließen?

Bei bestehender Zweitschlagfähigkeit könnte sicherheitshalber zunächst von einer unmittelbaren Gegenreaktion („Launch on warning“) abgesehen werden, was derzeit anerkannten Grundsätzen und der Erwartung entsprechen würde. Eine solche Entscheidung hängt aber von dem jeweiligen Staatschef ab. In Kriegszeiten und sehr angespannten Situationen wie derzeit kann nicht gewährleistet werden, dass solche Grundsätze immer eingehalten werden. Es ist nicht ausgeschlossen, dass ein Staatschef sich zu einem „Launch on warning“ entschließt. Dafür kann es verschiedene Gründe geben, wobei mehrere dieser Aspekte zutreffen können:

  • Ein direkter Gegenschlag ist sehr viel leichter realisierbar und wirksamer als ein Zweitschlag, nachdem man getroffen wurde.
  • Wenn ohnehin ein solcher Angriff erwartet wird, überwiegt die Annahme, dass die Meldung echt ist.
  • Die eigene Nation ist so sehr in Bedrängnis und existentieller Not, dass ein atomarer Angriff ohnehin in Erwägung gezogen wurde.
  • Der Staatchef möchte eine Gegenreaktion noch selbst auslösen und sich nicht darauf verlassen, dass andere nach einem Erstschlag für einen Zweitschlag sorgen. Er selbst wird ja nach einem Einschlag möglicherweise dazu nicht mehr in der Lage sein.

4. Cyberkrieg

Auf die Waffenlieferungen an die Ukraine und Sanktionen gegen Russland könnten als Gegenreaktion schwerwiegende Cyberangriffe folgen. Zuletzt wurden Konflikte zwischen Staaten immer häufiger von Cyberangriffen begleitet. Deshalb ist auch jetzt mit schweren Cyberangriffen zu rechnen, die zu einem Cyberkrieg zwischen Nato-Staaten und Russland eskalieren könnten. Schwerwiegende Cyberangriffe müssen nicht von Staaten ausgehen, auch Hackergruppen oder Einzelne könnten hierfür verantwortlich sein. Dies ist in der Regel aber nicht feststellbar, deshalb werden Verantwortlichkeiten vermutlich auf die am jetzigen Konflikt beteiligten Staaten zurückfallen. Damit besteht die große Gefahr, dass der aktuelle Krieg in der Ukraine sich zumindest im Cyberraum auf die Nato und Russland ausweitet. Als Folge werden Fehler in Frühwarnsystemen für nuklearen Bedrohungen gefährlicher und können sehr leicht zu einem Atomkrieg aus Versehen führen.

5. Risiko Atomkrieg aus Versehen bei kriegerischem Konflikt zwischen Atommächten

Besonders gefährlich kann es werden, wenn die aktuelle Situation in der Ukraine weiter eskaliert und auch die Nato in kriegerische Aktionen einbezogen wird. Dann kann es auch leicht zu nuklearen Auseinandersetzungen kommen. Vor diesem Risiko warnen auch militärische Experten.[5]

Bei einer drohenden Niederlage in einem konventionellen Krieg zwischen Atommächten könnte die unterlegene Seite den Einsatz von Atomwaffen in Erwägung ziehen. Des Weiteren wird jeder Fehlalarm in einem Frühwarnsystem für nukleare Bedrohungen in solchen Situationen extrem gefährlich. Wenn ohnehin schon kriegerische Auseinandersetzungen laufen, dann könnte eine Alarmmeldung in Bezug auf Atomwaffen auch sehr leicht aus plausibel eingeschätzt werden und den aktuellen Erwartungen entsprechen. Dann wäre es auch wirkungsvoller, eine Gegenreaktion einzuleiten, bevor die gegnerischen Atomwaffen einschlagen und eine Gegenreaktion erschweren. Kriegerische Konflikte zwischen Atommächten werden von Cyberangriffen begleitet sein, auch diese erhöhen das Risiko von Fehlinterpretationen bei Fehlalarmen in Frühwarnsystemen.

Was ist zu tun?

Das Gebot der Stunde ist Deeskalation. Weitere Eskalationen und militärische Konflikte zwischen Atommächten müssen mit allen Mitteln verhindert werden. Dazu ist eine Verstärkung der Krisenkommunikation insbesondere zwischen den militärischen Führungen Russlands und der USA erforderlich. Das setzt die Zustimmung der Staatschefs voraus. In der kritischen Phase des Übergangs von der Trump- zur Biden-Administration hat der US-amerikanische Generalstabschef Mark Milley die Optionen der Krisenkommunikation mit seinem Kollegen in China voll genutzt und dadurch die Gefahr eines Nuklearkonflikts aus Versehen gebannt. Ein solches verantwortungsbewusstes Verhalten ist auch heute zwingend erforderlich. Atomkriege sind nicht gewinnbar, eine Vernichtung des europäischen Kriegsschauplatzes mit globalen Wirkungen wäre aber unausweichlich.


Fußnoten

[1] Univ.-Prof. Dr. Michael Staack lehrt Internationale Beziehungen und ist Präses des Wissenschaftlichen Forums für Internationale Sicherheit (WIFIS). Prof. Dr. Karl-Hans Bläsius lehrte Informatik an der Hochschule Trier und arbeitete zudem in der freien Wirtschaft. Brigadegeneral a. D. Reiner Schwalb war deutscher Verteidigungsattaché in Moskau und ist Vizepräsident der Gesellschaft für Sicherheitspolitik (GSP). Alle drei engagieren sich in der von Professor Bläsius gegründeten Initiative „Atomkrieg aus Versehen“.

[2] https://www.tagesschau.de/ausland/asien/putin-rede-angriff-ukraine-101.html

[3] https://www.icanw.org/ican_condemns_russia_invasion_of_ukraine_an_escalation_risking_nuclear_war  und  https://www.icanw.de/action/ican-verurteilt-russische-invasion-in-die-ukraine/

[4] https://www.tagesschau.de/ausland/europa/putin-atomstreitkraefte-101.html

[5] https://www.n-tv.de/politik/Ex-Oberst-warnt-vor-Eskalation-mit-dem-Westen-article23151797.html

SMASCH: Digitalisierungskonzepte für Smarte Schulen

HSU

24. Februar 2022

Das Forschungsprojekt SMASCH begleitet und unterstützt Schulen darin, nachhaltige, pädagogisch sinnvolle und bedarfsgerechte Digitalisierungskonzepte zu entwickeln. Neun Hamburger und zwei belgische Schulen sind an der Kick-off Veranstaltung am 24. Februar 2022 beteiligt.

Das virtuelle Kick-off-Meeting bildet den offiziellen Auftakt für die Zusammenarbeit mit neun Hamburger Schulen und den regionalen Bildungsinstitutionen im Forschungsprojekt „Smarte Schulen“ (SMASCH). In einer Podiumsdiskussion zum Thema „Im Spannungsfeld digitaler Schultransformation – Einladung zum Perspektivwechsel!“ diskutieren Thorsten Puderbach (Behörde für Schule und Berufsbildung Hamburg, Teamleiter Stabsstelle Digitalisierung), Isabella Fey (Lessing-Stadtteilschule, didaktische Leitung), Univ.-Prof. Dr. Sigrid Hartong (Projektleitung SMASCH), Helge Tiedemann (Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung, Referatsleitung Medienpädagogik) und Kerstin Wendt-Scholz (Ganztagsschule Franzosenkoppel, Schulleitung), wie eine mündige Gestaltung von Schule im Zeitalter der Digitalität im jeweiligen Tätigkeitskontext gelingen kann. Im Anschluss haben die Teilnehmenden die Möglichkeit, sich zu didaktischen, organisatorischen und wissenschaftlichen Fragen auszutauschen und mit den belgischen Projektpartnerinnen und -partnern in Kontakt zu kommen.

SMASCH verfolgt zwei verschiedene Ansätze: Im Rahmen von Feldforschung werden Problematisierungs-, Strategieentwicklungs- und Veränderungsprozesse an neun deutschen und vier belgischen staatlichen Schulen aus dem Primar- und Sekundarbereich empirisch begleitet. Darüber hinaus werden an diesen Schulen vielseitige Konzepte für die Förderung digitaler Mündigkeit entwickelt und experimentell implementiert.

Die Schulen erhalten organisationsspezifisch und vernetzend Beratungsdienstleistungen, Fortbildungen sowie Unterstützung bei der Gestaltung analoger Randbedingungen. Begleitend werden in der gesamten Projektlaufzeit Erkenntnisse gewonnen, die den beteiligten Schulen dazu dienen sollen, die vielschichtigen und hochdynamischen Wirkungen digitaler Technologien in Bildungsorganisationen zu verstehen und gestalterische Handlungsstrategien sowohl auf pädagogischer als auch organisationaler Ebene zu entwerfen.

„Es ist dringend notwendig, Digitalisierung nicht nur als Problem der technischen Ausstattung von Schulen oder als Bedienkompetenz von Lernplattformen zu sehen, sondern als Thema der dauerhaften, kritischen Auseinandersetzung mit Digitalisierung auf allen Ebenen von Schule. SMASCH will hierfür entsprechende Räume schaffen. Das Ziel ist die Förderung einer selbstbewussten Auseinandersetzung und Gestaltung von Schule in der digitalen Welt“, erläutert Projektleiterin Univ.-Prof. Dr. Sigrid Hartong.

Neben der Professur von Sigrid Hartong sind das Institut für Controlling und Unternehmensrechnung (Univ.-Prof. Dr. Tobias Scheytt) und die Faculty of Psychology and Education Sciences der Katholischen Universität Leuven, Belgien (Prof. Dr. Mathias Decuypere) am Projekt beteiligt. Die Hamburger Behörde für Schule und Berufsbildung hat die Projektschulen vermittelt und steht den Forschenden als Ansprechpartnerin zur Seite.

Die Hamburger Projektschulen sind bislang Adolph-Diesterweg-Grundschule, Ganztagsgrundschule Am Johannisland, Grundschule Archenholzstraße, Grundschule Neugraben, Gymnasium Rahlstedt, Lessing-Stadtteilschule, Matthias-Claudius-Gymnasium, Schule Franzosenkoppel und Schule Richardstraße.

Das Projekt läuft bis Ende 2024 und wird mit 3,58 Millionen Euro aus Mitteln des dtec.bw gefördert.

Das dtec.bw – Zentrum für Digitalisierungs- und Technologieforschung der Bundeswehr – ist ein von den Universitäten der Bundeswehr Hamburg und München gemeinsam getragenes wissenschaftliches Zentrum und Bestandteil des Konjunkturprogramms der Bundesregierung zur Überwindung der COVID-19-Krise. Es unterliegt der akademischen Selbstverwaltung. Die Mittel, mit dem das dtec.bw ausgestattet wurde, werden an beiden Universitäten der Bundeswehr zur Finanzierung von Forschungsprojekten und Projekten zum Wissens- und Technologietransfer eingesetzt.

Weitere Informationen

https://www.smasch.eu

Wissenschaftliche Ansprechpartnerin

Nina Brandau, M. A., dtec-Projekt SMASCH, E-Mail [email protected]

Ansprechpartner für die Medien

Pressestelle, Dietmar Strey, Tel. 040 6541-2774, E-Mail: [email protected]