Stabilitätsanalyse dezentral-autonomer Entscheidungssysteme

Motivation:

Dezentral-autonome Steuerungen für Automatisierungssysteme zeichnen sich dadurch aus, dass es nicht nur eine einzelne zentrale Entität gibt, an der alle Informationen zusammenlaufen und in der alle Entscheidungen getroffen werden, sondern es werden mehrere Entscheidungsentitäten über das Automatisierungssystem verteilt, die selbständig innerhalb ihrer Verantwortungsbereiche entscheiden können und über Kooperationsmechanismen miteinander die Steuerungsaufgabe bewältigen. Einer der heutzutage wohl bekanntesten Vertreter dezentral-autonomer Verfahren sind Agentensysteme.

Eine in dezentral-autonomen Steuerungen noch ungelöste Fragestellung stellt die Schwierigkeit dar, Aussagen über das Verhalten des Gesamtsystems zu treffen, und z.B. die Stabilität des Gesamtsystems zu garantieren. Kann die Stabilität nicht garantiert werden, so können unerwünschte Schwingungseffekte bis hin zu zerstörerischen Instabilitäten im System auftreten, obwohl deren Vorkommen aus der Untersuchung jeder einzelnen Entität für sich nicht ersichtlich ist.

Foschungsziele:

In diesem Forschungsschwerpunkt werden Möglichkeiten untersucht, wie eine Stabilitätsanalyse eines dezentral-autonomen Entscheidungssystems mit inhärenten Totzeiten bewerkstelligt werden kann.

Systemmodellierung und Stabilitätsanalyse:

In einer ersten Phase werden die kleinsten Einheiten eines solchen Systems betrachtet, d.h. einzelne Entscheidungspunkte an dem eine Stabilitätsproblematik bereits auftreten kann. An einem solchen Entscheidungspunkt wird die Verteilung eines Eingangsflusses auf zwei Entscheidungsalternativen (Alternative A und B) geregelt. Die Regelung bedient sich dabei der Differenz der Kenngrößen am Ausgang dieser beiden Entscheidungsalternativen. Durch die inhärenten Totzeiten im System gelangt die Regelgröße jedoch erst verspätet zum Regler und es kann zu einem instabilen Verhalten des Systems kommen [1]. In der folgenden Abbildung wird ein sich langsam aufschwingendes Verhalten eines einzelnen simulierten Entscheidungspunktes gezeigt.

Abbildung: Schwingungseffekte an einem Entscheidungspunkt mit zwei Alternativen [1]

Ein dabei betrachteter Entscheidungspunkt weist folgende Charakteristiken auf:

  • Mehrere Entscheidungsalternativen an dem Entscheidungspunkt.
  • Totzeitbehaftete Rückwirkung der Entscheidungsalternativen.
  • Belastungsabhängige und daher zeitveränderliche Totzeiten der Rückwirkungen.
  • Insgesamt ein nichtlineares und zeitvariantes Verhalten des Entscheidungspunktes.

 

Bevor eine Stabilitätsanalyse durchgeführt werden kann muss eine geeignete Modellierung eines Einscheidungspunktes gefunden werden. Ein makroskopischer Modellierungsansatz bietet eine Möglichkeit der Modellierung und führt zu folgendem Zustandsraummodell:

mit hA und hB als zeitvariable Totzeiten sowie AA und AB als zeitvariante Systemmatrizen.

In der zweiten Phase werden ganze Netzwerke bestehend aus vielen Entscheidungspunkten behandelt und ihre Systemstabilität untersucht. Die gefundenen Modellierungs- und Analyseansätze werden auf die Domänen Produktionssysteme, Verkehrssysteme und Smart Grid angewandt und über den Vergleich mit den Simulationsergebnissen wird ihre Güte überprüft.

 

Bearbeitet durch: Dipl.-Ing. Ireneus Wior
[1] I. Wior, A. Fay: Systemdynamische Konsequenzen von Mauterhebung und anderen Eingriffen in den Verkehr. In „at-Automatisierungstechnik“, Jahrgang 60 (2012), Heft 4, S. 194-201.

HSU

Letzte Änderung: 25. Oktober 2017