Bei der Vermengung von exotherm oxidierbarem (brennbarem) Material und einem Oxidationsmittel wie Sauerstoff kann es zu der Entstehung von explosionsfähige Atmosphären kommen [1].
Stoffen, die unter normalen Umständen nur an Übergangsflächen zu Oxidationsmitteln brennbar sind, steht nun im gesamten Volumen Oxidationsmittel zur Verfügung, sodass die Oxidationsreaktion beim Entzünden im gesamten Volumen nahezu zeitgleich abläuft und es zu explosionsartigen Verbrennungsprozessen kommt. Diese werden als Deflagrationen, bzw. Verpuffungen bezeichnet.
Ein bekanntes Beispiel ist die Mehlstaubexplosion: Brennbares, aber für sich allein nicht explosionsfähiges Mehl wird durch Aufwirbelung in sauerstoffhaltiger Luft in eine explosionsfähige Atmosphäre umgewandelt. Ein Funke kann reichen, um eine Deflagration herbeizuführen. Doch auch in der Prozessindustrie und im Inneren von militärischen Fahrzeugen ergeben sich zahlreiche Szenarien, in denen Deflagrationen auftreten können.
Deflagrationen stellen nicht nur durch den Temperatur-, sondern auch den Druckanstieg eine ernstzunehmende Gefahr für Mensch und Material dar. Die Explosion der Rolandmühle in Bremen 1979 forderte 14 Menschenleben und richtete einen Sachschaden von 100 Millionen Mark an [2].
Unfälle wie dieser haben zu einer starken Verbesserung der Sicherheitsvorkehrungen in deflagrationsgefährdeten Bereichen geführt. Konnte eine Deflagration dennoch nicht vermieden werden, gilt es zum einen, den Verbrennungsvorgang zu stören (Löschen durch Wasser oder Schaum, Freisetzen von reaktionshemmenden Gasen) und so den durch sie entstehenden Schaden zu minimieren, zum anderen, die Ausbreitung auf weitere deflagrationsgefährdete Bereiche zu verhindern (z.B. durch das Auslösen von sogenannten Löschmittelsperren). Im Idealfall wird die Deflagration so schon in ihrer Entwicklungsphase unterdrückt/gelöscht und somit ihr Zerstörungspotential minimiert.
Diese aktiven Schutzmaßnahmen benötigen einen Detektionsmechanismus, durch den sie ausgelöst werden. Die Herausforderung liegt dabei nicht nur in der zuverlässigen Detektion von Deflagrationen (Sensitivität), sondern auch in einer möglichst niedrigen Fehlalarmrate (Spezifität).
Bisherige Systeme beruhen zumeist auf Temperatur- und Infrarotsensoren. Letztere weisen eine hohe Sensitivität und Spezifität auf, können aber keine weiteren Informationen über die Deflagration liefern. Mit dem Verbot des in Vergangenheit genutzten, hoch wirksamen, aber auch stark umweltschädlichen, reaktionshemmenden Gases Halon muss in einigen Bereichen auf weniger wirksame Löschsysteme wie Hochdrucksysteme auf Wasserbasis zurückgegriffen werden. Diese können ihre Löschwirkung nur auf einen gewissen Bereich ausüben und dementsprechend eine entstehende Deflagration nur dann effektiv hemmen, wenn deren Position bekannt ist.
Vor diesem Hintergrund werden in diesem Vorhaben die Möglichkeiten der Bildverarbeitung untersucht, Deflagrationen in Echtzeit-Videoüberwachungsaufnahmen zu detektieren und lokalisieren. Das Vorhaben baut dabei auf der Arbeit zweier Vorgängerprojekte auf.
Die Erkennung von Feuern, bzw. Flammen in Videoüberwachungsaufnahmen sind schon länger Objekt der Forschung (z.B. [3]). Entsprechende Algorithmen können zumeist innerhalb weniger Sekunden ein Ergebnis liefern. Der Detektionsprozess von Deflagrationen hingegen muss aufgrund der schnellen Ausbreitung und der Notwendigkeit, eine Deflagration schon in ihrer Entstehungsphase zu detektieren, innerhalb weniger Millisekunden abgeschlossen sein.
Um dieser Anforderung gerecht zu werden, werden Hochgeschwindigkeitskameras mit einer Bildaufnahmefrequenz von aktuell 200 Hz verwendet. Der Algorithmus selbst nutzt dabei die typischen Eigenschaften einer Deflagration aus: Steigende Bildintensität (Helligkeit), überproportionaler Rotkanalanteil, starke räumliche Ausbreitung und einige weitere. Aufgrund der durch die Bildaufnahmerate pro Bild zur Verfügung stehenden Berechnungszeit von 5 Millisekunden ist die Bildverarbeitung auf zeiteffiziente und möglichst parallelisierbare Methoden beschränkt.
Die Verwendung einer einzigen Kamera ermöglicht die Lokalisierung innerhalb des 2D-Kamerabildes, der Abstand und somit die genaue Position im dreidimensionalen Raum hingegen kann nur bei Verwendung von mindestens zwei Kameras mittels trigonometrischer Verfahren bestimmt werden.
Ziel des Vorhabens ist die Weiterentwicklung des Detektionsalgorithmus, um eine robuste Detektion und zusätzlich möglichst genaue Lokalisierung der Deflagration zu ermöglichen.
[1] VDI 2263 – Staubbrände und Staubexplosionen – Gefahren – Beurteilung – Schutzmaßnahmen
[2] https://www.weser-kurier.de/bremen/bremen-historisch_artikel,-Schwerste-Detonation-seit-dem-Krieg-erschuettert-Bremen-_arid,1071917.html
[3] Lee, C.-Y., Lin, C.-T., Hong, C.-T., Su, M.-T.: Smoke detection using spatial and temporal analyses. International Journal of Innovative Computing, Information and Control, Ausgabe 7 (A), Vol. 8, 2012, S. 4749-4770
Letzte Änderung: 21. März 2018