Die Prozessindustrie steht vor der Herausforderung, zunehmend kürzer werdende Produktlebenszyklen mit Anlagen zu bewältigen, die für lange Zeithorizonte erstellt wurden und denen häufig die Flexibilität zur Umrüstung auf neue Produkte fehlt. Einer mangelnden Flexibilität von Anlagen lässt sich durch die Einführung eines Digitalen Zwillings entgegenwirken, indem Eingriffe in die Anlage, wie beispielsweise Umrüstungen, virtuell erprobt werden können. Zum Zeitpunkt des realen Eingriffs ist das Anlagenverhalten dadurch bereits bekannt. Es können Zeiten und Kosten von Umbaumaßnahmen reduziert werden, wodurch diese für den Anlagenbetreiber ressourcenschonender und attraktiver werden.
Den Vorteilen des Digitalen Zwillings bei seinem Einsatz in der Industrie stehen die Herausforderungen seiner Erstellung und Instandhaltung entgegen. Die technische Dokumentation von Anlagen liegt, insbesondere im Fall von Brownfield-Anlagen, zumeist verteilt und fragmentiert vor, wodurch die Erstellung eines Digitalen Zwillings erschwert wird. Durch eine häufig unvollständige Dokumentation von Änderungen im Lebenszyklus von Brownfield-Anlagen ist der Anlagenzustand dem Betreiber formal häufig nicht bekannt. Der erstellte Digitale Zwilling wäre in diesem Fall zu ungenau, um qualifizierte Aussagen und Vorhersagen treffen zu können, die eine Umrüstung erleichtern könnten.
Daher forscht die Helmut-Schmidt-Universität / Universität der Bundeswehr Hamburg im Rahmen des Projekts AVEDAS gemeinsam mit der mid Documentation GmbH an einem Assistenzsystem mit integriertem Digitalen Zwilling, welcher selbstständig Unterschiede zwischen Simulationsdaten und Anlagenmesswerten erkennt und seine Modelle entsprechend adaptiert.
Das zu erstellende Assistenzsystem bündelt die verteilten Anlageninformationen und übernimmt Anlagenmesswerte. Es unterstützt den Betreiber bei Aufgaben der Anlagenwartung und Produktionsoptimierung. Bei der Analyse verschiedener Szenarien hilft das Assistenzsystem die komplexen Prozesse der Anlage transparent zu machen und es unterstützt den Betreiber bei dem Erkennen mangelnder Dokumentation im Falle von Anlagenänderungen. Das Institut für Automatisierungstechnik erforscht dabei die Erstellung eines Digitalen Zwillings, welcher durch eine automatisierte Generierung und Instandhaltung der verwendeten Modelle gekennzeichnet ist.
Seitens der Helmut-Schmidt-Universität / Universität der Bundeswehr Hamburg wird das Projekt durch Herrn Malte Ramonat bearbeitet.
Letzte Änderung: 9. Februar 2023